Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Arztbewertungen online: Bewertungsportal muss Rüge nachgehen, dass Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde liege

Kommentare im Internet abzugeben, ist mehr als einfach. Ebenso verhält es sich für Nutzer mit Bewertungen von Produkten und Dienstleistungen. Dass Bewertungsportale bei ärztlichen Leistungen jedoch eine Prüfpflicht haben, die ein wenig mehr Objektivität in das Geschriebene bringen soll, hat das Oberlandesgericht München (OLG) erneut klargestellt.

Kommentare im Internet abzugeben, ist mehr als einfach. Ebenso verhält es sich für Nutzer mit Bewertungen von Produkten und Dienstleistungen. Dass Bewertungsportale bei ärztlichen Leistungen jedoch eine Prüfpflicht haben, die ein wenig mehr Objektivität in das Geschriebene bringen soll, hat das Oberlandesgericht München (OLG) erneut klargestellt.

In einen Bewertungsportal wurde anonym behauptet, der Arzt habe eine Patientin zweimal an der Nase operiert, die Operationsergebnisse seien aber beide Male alles andere als zufriedenstellend gewesen. Mit dieser Bewertung war der Arzt nicht einverstanden und zog gegen das Bewertungsportal vor das Gericht. Er bestritt, "dass der Verfasser der Bewertung eine irgend geartete tatsächliche Erfahrung" mit seiner Arztpraxis gemacht habe.

Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war er erfolgreich. Ein auf einem Bewertungsportal bewerteter Arzt löst grundsätzlich schon mit der Rüge, einer Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde, Prüfpflichten des Bewertungsportals aus. Dabei ist er gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht zu weiteren Darlegungen verpflichtet - insbesondere nicht zu einer näheren Begründung seiner Behauptung zum fehlenden Behandlungskontakt. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Inanspruchnahme der Leistung beschreibende Angaben enthält und dem Bewerteten daher eine weitere Begründung schon gar nicht möglich ist, sondern auch, wenn für einen Behandlungskontakt keine entsprechende Angaben vorliegen. Da das Bewertungsportal eine solche Prüfung nicht durchgeführt hatte, war es zur Unterlassung zu verurteilen.

Hinweis: Wenn ein Arzt also einem Bewertungsportal mitteilt, es habe überhaupt kein Behandlungskontakt vorgelegen, muss das Bewertungsportal dies prüfen.


Quelle: OLG München, Urt. v. 06.08.2024 - 18 U 2631/24 Pre e
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 02/2025)

Kein Rechtsbindungswillen entnehmbar: Grimasse schneidendes Emoji ist keine Zustimmung zu einer Lieferfristverlängerung

Der Sinn sogenannter Emojis liegt eigentlich darin, dem Leser zu veranschaulichen, wie der Verfasser das Geschriebene gefühlmäßig betont - er ersetzt quasi seine fehlende Mimik mit Icons und Zeichen und verdeutlicht die Aussage seines Texts. Uneigentlich ist die Praxis jedoch oft eine andere: Zwei Menschen mit zwei Meinungen, wie das Geschriebene gemeint war bzw. aufgefasst wurde. Ebendiese unterschiedliche Auffassung führte zum folgenden Fall vor dem Oberlandesgericht München (OLG).

Der Sinn sogenannter Emojis liegt eigentlich darin, dem Leser zu veranschaulichen, wie der Verfasser das Geschriebene gefühlmäßig betont - er ersetzt quasi seine fehlende Mimik mit Icons und Zeichen und verdeutlicht die Aussage seines Texts. Uneigentlich ist die Praxis jedoch oft eine andere: Zwei Menschen mit zwei Meinungen, wie das Geschriebene gemeint war bzw. aufgefasst wurde. Ebendiese unterschiedliche Auffassung führte zum folgenden Fall vor dem Oberlandesgericht München (OLG).

Es ging um den Kauf eines Ferrari SF90 Stradale, bei dem es zu Lieferverzögerungen kam. Die entscheidende Frage hierbei war, ob der Käufer mit einer WhatsApp der Lieferfristverlängerung zugestimmt hatte, als er auf den Hinweis des Verkäufers, dass der Ferrari erst knapp ein Jahr später ausgeliefert werden könne, mit "Ups" und einem Grimasse schneidenden Emoji geantwortet hatte. Als sich die Lieferung immer weiter hinauszog, setzte er eine Lieferfrist und behielt sich das Recht vor, vom Vertrag zurückzutreten - was er dann auch tat. Schließlich wollte er dann seine Anzahlung zurückerhalten und reichte eine Klage ein. Der Verkäufer meinte, dass sich durch das Grimasse schneidende Emoji und den übrigen Wortwechsel eine einvernehmliche Lieferfristverlängerung ableiten lasse.

Das sah das OLG allerdings anders. Der Käufer hatte mit der Verwendung des Grimasse schneidenden Emojis keine Zustimmung zu einer Lieferfristverlängerung erteilt. Zwar könne eine Willenserklärung auch per Zeichen stattfinden. Emojis erfüllten schließlich "im digitalen Diskurs ähnliche Funktionen wie Intonation, Gestik, Mimik und andere körpersprachliche Elemente in realen Gesprächen". Ob der Verwender von Emojis einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen oder lediglich seine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen möchte, sei aber eine Frage der Auslegung. Das Grimasse schneidende Emoji zusammen mit "Ups" ist jedenfalls nicht als Zustimmung für eine Lieferfristverlängerung auszulegen. Deshalb durfte der Käufer nach einer Fristsetzung zurücktreten und erhielt auch seine Anzahlung wieder.

Hinweis: Willenserklärungen können auch durch Emojis abgegeben werden. Wird jemand auf WhatsApp gefragt, ob er mit einem Geschäft einverstanden ist, und er sendet einen "Daumen hoch" zurück, wird dieses als Abschluss eines Vertrags zu werten sein. Es ist also Vorsicht geboten!


Quelle: OLG München, Urt. v. 11.11.2024 - 19 U 200/24 e
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 02/2025)

Notfallkater Rocky: Tierhalter müssen Kosten für Behandlung auch tragen, wenn Dritte die Rettung veranlassen

Wer trägt im Fall einer Tierrettung eigentlich die angefallenen Kosten, wenn die Notbehandlung nicht etwa vom Halter, sondern von einem tierlieben fremden Finder des zuvor entlaufenen Tiers beauftragt wurde? Das Amtsgericht München (AG) musste zu dieser interessanten Frage eine Antwort finden.

Wer trägt im Fall einer Tierrettung eigentlich die angefallenen Kosten, wenn die Notbehandlung nicht etwa vom Halter, sondern von einem tierlieben fremden Finder des zuvor entlaufenen Tiers beauftragt wurde? Das Amtsgericht München (AG) musste zu dieser interessanten Frage eine Antwort finden.

Kater Rocky war seiner Halterin entlaufen, doch Glück im Unglück: Er wurde gefunden! Der feline Gefährte war allerdings bewusstlos, und daher alarmierte der anonym gebliebene Finder die Münchner Tierrettung. Diese tat das, was eine Rettung auch bei Menschen im Allgemeinen tut: Sie lieferte Rocky als Notfall in ein Krankenhaus ein - in diesem Fall natürlich in eine Tierklinik. Und so kam es schnell zu Kosten in Höhe von fast 600 EUR. Da der Kater ein vorbildlicher Kater war, fand man seine Daten dank Chip im Haustierzentralregister und konnte so auch seine Halterin ausfindig machen. Diese weigerte sich nun jedoch, die Kosten zu übernehmen. Daraufhin wurde sie auf Zahlung verklagt - und zwar erfolgreich.

Denn das AG befand, dass dann, wenn ein erkranktes Tier von Dritten zum Tierarzt gebracht wird, der Tierhalter für die Kosten der Notbehandlung haftet. Der Vortrag der Halterin, sie hätte rechtzeitig über die Einlieferung des Katers informiert werden müssen, blieb hierbei unerheblich.

Hinweis: Tierbesitzer sollten sich auf steigende Kosten bei der Haltung von Tieren einstellen. Denn nach langen Jahren der "Nullrunde" wurde die Gebührenordnung für Tierärzte im Jahr 2023 angepasst.


Quelle: AG München, Urt. v. 30.08.2024 - 161 C 16714/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 02/2025)

Schriftsachverständigengutachten: Keine Vermutung für die Echtheit einer Unterschrift unter einem Testament

Um formwirksam zu sein, ist ein privatschriftliches Testament vom Erblasser eigenhändig zu unterschreiben. Das Oberlandesgericht München (OLG) hat klargestellt, dass man nicht automatisch davon ausgehen muss, dass ein Schriftstück, das den Namenszug des Erblassers trägt, auch tatsächlich von diesem stammt. Fehlen zur Beurteilung der Echtheit Beweise und Zeugen, bleibt die Klärung einem Schriftsachverständigen vorbehalten.

Um formwirksam zu sein, ist ein privatschriftliches Testament vom Erblasser eigenhändig zu unterschreiben. Das Oberlandesgericht München (OLG) hat klargestellt, dass man nicht automatisch davon ausgehen muss, dass ein Schriftstück, das den Namenszug des Erblassers trägt, auch tatsächlich von diesem stammt. Fehlen zur Beurteilung der Echtheit Beweise und Zeugen, bleibt die Klärung einem Schriftsachverständigen vorbehalten.

Der verheiratete Erblasser war 2021 an den Folgen eines bösartigen Hirntumors verstorben. In seinem Testament, das er wenige Monate nach der Diagnose erstellt hatte, setzte er seine Schwester zur Alleinerbin ein. Die Witwe sowie die Tochter des Erblassers aus erster Ehe zweifelten jedoch die Eigenhändigkeit des vorgelegten Testaments sowie die Testierfähigkeit des Erblassers an. Nachdem das Nachlassgericht deshalb in Sachen Eigenhändigkeit ein Gutachten eines Schriftsachverständigen eingeholt hatte, wurde durch den Senat des OLG zudem ein Gutachten zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers erstellt. Der Schriftsachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit für die Urheberschaft des Erblassers als hoch angenommen werden könne.

Dies reiche nach Ansicht des OLG aus. Es bedarf keiner absoluten Gewissheit darüber, dass der Erblasser das Schriftstück erstellt habe. Hinsichtlich der Testierfähigkeit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Personen mit Erreichen des 16. Lebensjahrs testierfähig sind. Da die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist ein Erblasser bis zum Beweis des Gegenteils auch als testierfähig anzusehen. Das Gericht folgte den Ausführungen des Sachverständigen, dass bei dem Erblasser zwar eine Erkrankung vorlag, die mit einer Störung der Geistestätigkeit einhergehen könne. Dies müsse aber nicht zwingend zum Ausschluss der freien Willensbildung geführt haben. Insofern verbleibe es bei der Grundannahme, dass der Erblasser als testierfähig angesehen werden müsse.

Hinweis: Die Beurteilung der Testierfähigkeit erfolgt regelmäßig durch Psychiater, gegebenenfalls auch durch Neurologen.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 12.08.2024 - 33 Wx 294/23 e
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Mangelnde Eigensicherung: Geschädigtem Pannenhelfer kann Mitschuld zugeschrieben werden

Wer zur Hilfe bereit ist, sollte dabei nie völlig uneigennützig handeln. Dass besonders im Straßenverkehr stets auch die Eigensicherung im Blick behalten werden muss, beweist der folgende Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG). Hierbei wurden Fahrer, Versicherer und Halterklagende von der Bundesrepublik Deutschland als Dienstherrin zweier verletzter Bundespolizeibeamter und eines getöteten Bundespolizeibeamten aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen.

Wer zur Hilfe bereit ist, sollte dabei nie völlig uneigennützig handeln. Dass besonders im Straßenverkehr stets auch die Eigensicherung im Blick behalten werden muss, beweist der folgende Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG). Hierbei wurden Fahrer, Versicherer und Halterklagende von der Bundesrepublik Deutschland als Dienstherrin zweier verletzter Bundespolizeibeamter und eines getöteten Bundespolizeibeamten aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen.

Auf einer Autobahn war es zu einem Verkehrsunfall gekommen. Ein involviertes Fahrzeug blieb dabei auf dem linken von drei Fahrstreifen liegen, Trümmerteile befanden sich auf den beiden anderen Spuren. Drei sich auf dem Heimweg befindliche Bundespolizisten passierten die Unfallstelle und entschlossen sich, anzuhalten und die Unfallstelle abzusichern. Nachfolgend - ca. 30 Minuten später und nachdem die beiden rechten Fahrspuren vom Verkehr wieder befahren wurden - kollidierte der die dritte Fahrspur befahrende beklagte Fahrer mit seinem Pkw frontal mit einem der drei sich auf dem Zwischenstreifen befindlichen Polizisten - dieser wurde dabei getötet. Der beklagte Fahrer kollidierte danach mit den beiden weiteren Beamten. Er wurde schließlich wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Die Klägerin begehrte Ersatz der von ihr an die Hinterbliebenen erbrachten Leistungen. Der Klage wurde vom Landgericht zu 100 % stattgegeben, wogegen sich die Berufung von Fahrer, Versicherer und Halter richtete.

Die Berufung hatte vor dem OLG teilweise Erfolg. Grundsätzlich hafteten die Beklagten für die unfallbedingten Schäden. Die Haftung beschränke sich hier allerdings auf den Umfang von 2/3. Die geschädigten Beamten hatten sich nach Ansicht des Gerichts als Fußgänger im Bereich der Fahrbahn verkehrswidrig verhalten und dadurch eine nicht unerhebliche Schadensursache gesetzt. Das lediglich in Ausnahmefällen zulässige Betreten einer Autobahn dürfe nur mit höchstmöglicher Sorgfalt und so kurz wie möglich erfolgen. Hier jedoch hatten sich die Beamten fahrlässig selbst gefährdet, als sie sich noch knapp eine halbe Stunde nach dem Unfallereignis auf dem linken Seitenstreifen befanden, ohne den herannahenden Verkehr zumindest sorgfältig zu beobachten oder angemessen auf diesen zu reagieren.

Hinweis: Nach einem Unfall auf der Autobahn muss der Aufenthalt auf der dem fließenden Verkehr zugewandten Seite auch als Pannenhelfer auf das Nötigste beschränkt und größtmögliche Vorsicht aufgewendet werden.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 05.12.2024 - 15 U 104/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

"Geisterradlerin" auf Gehweg: Auf zwei Rädern gleich doppelt falsch zu fahren, kann im Ernstfall Schadensersatzansprüche kosten

Im folgenden Fall, der vor dem Landgericht Frankfurt/Oder (LG) verhandelt wurde, hatte sich eine Fahrradfahrerin gleich im doppelten Sinne falsch verhalten. Ob das allein über den Schuldanteil nach einer Kollision mit einem Pkw entscheidet oder auf Seiten der schwächeren Verkehrsteilnehmerin dennoch ein Schadensersatzanspruch besteht, lesen Sie hier.

Im folgenden Fall, der vor dem Landgericht Frankfurt/Oder (LG) verhandelt wurde, hatte sich eine Fahrradfahrerin gleich im doppelten Sinne falsch verhalten. Ob das allein über den Schuldanteil nach einer Kollision mit einem Pkw entscheidet oder auf Seiten der schwächeren Verkehrsteilnehmerin dennoch ein Schadensersatzanspruch besteht, lesen Sie hier.

Eine Frau fuhr mit ihrem Rad auf dem Gehweg einer linken Straßenseite auf die Einmündung eines Wegs zu, der in die Straße mündete, deren Verkehr gegenüber dem Weg vorfahrtsberechtigt war. Eine Autofahrerin befuhr mit ihrem Fahrzeug den Weg in Richtung Straße und kollidierte im Einmündungsbereich mit der Radlerin. Diese stürzte und zog sich Verletzungen zu, weswegen sie Schadensersatz und Schmerzengeld verlangte.

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der Unfall allein durch die Radfahrerin verschuldet wurde, da diese mit ihrem Fahrrad den Gehweg der Straße befuhr. Hierbei handelte sie grob verkehrswidrig, da Erwachsenen die Benutzung von Gehwegen mit Fahrrädern nicht erlaubt ist. Der Fahrzeugverkehr auf der Straße war zwar gegenüber dem Verkehr des Wegs vorfahrtberechtigt - Vorfahrt hatte die Radfahrerin dennoch nicht. Diese können Radfahrer, die den Gehweg verbotswidrig und in falscher Richtung nutzen, nämlich nicht für sich beanspruchen. Vielmehr hätte die Radfahrerin beim Überqueren des Wegs bzw. beim Einfahren in diesen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen müssen. Zu berücksichtigen war zudem, dass die Radfahrerin ungebremst in das Fahrzeug fuhr.

Hinweis: Das LG ist dem Beweisangebot der Radfahrerin auf Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens nicht nachgekommen. Dies ist ungewöhnlich, weil die Radfahrerin behauptete und unter Beweis gestellt hatte, dass sich der Unfall für die Autofahrerin aufgrund der Erkennbarkeit der Radfahrerin hätte vermeiden lassen.


Quelle: LG Frankfurt/Oder, Urt. v. 19.07.2024 - 12 O 23/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Nordrhein-westfälisches Nachbarschaftsgesetz: Trompetenbaum muss dank seiner Wuchshöhe nur 2 m Abstand zur Grundstücksgrenze einhalten

Dieser Fall hätte sich eigentlich eine Fanfare verdient - denn schließlich geht es in seinem Kern um Trompetenbäume. Genauer gesagt musste das Landgericht Kleve (LG) entscheiden, wie weit solche Trompetenbäume von der Grundstücksgrenze entfernt stehen müssen. Entscheidend war hierbei ihre Wuchsstärke, bzw. durchschnittliche Maximalhöhe.

Dieser Fall hätte sich eigentlich eine Fanfare verdient - denn schließlich geht es in seinem Kern um Trompetenbäume. Genauer gesagt musste das Landgericht Kleve (LG) entscheiden, wie weit solche Trompetenbäume von der Grundstücksgrenze entfernt stehen müssen. Entscheidend war hierbei ihre Wuchsstärke, bzw. durchschnittliche Maximalhöhe.

Eine Frau hatte im Jahr 2016 auf ihrem Grundstück nahe der Nachbargrenze zwei Trompetenbäume gepflanzt. Der Nachbar beschwerte sich, woraufhin die Frau die beiden Trompetenbäume im November 2017 umsetzte. Damit betrug deren Abstand zur Grundstücksgrenze mehr als 2 m, aber weniger als 4 m. Das reichte dem Nachbarn nicht - er forderte, einen Abstand von mindestens 4 m einzuhalten, und klagte nach einem erfolglosen Schlichtungsverfahren - allerdings ohne Erfolg.

Trompetenbäume sind nach dem LG laut § 41 Abs. 1 Nr. 1a Nordrhein-westfälisches Nachbarschaftsgesetz keine "stark wachsenden Bäume" und müssen daher nur einen Abstand von 2 m zur Grundstücksgrenze einhalten. "Stark wachsend" seien jene Bäume, die besonders groß werden, ohne dass es dabei auf deren Wuchsgeschwindigkeit ankäme. Der gewöhnliche Trompetenbaum erreicht je nach Standort eine maximale Wuchshöhe von 15 bis 18 m, im Gegensatz zu den im Gesetz ausdrücklich genannten Baumarten, die Wuchshöhen von 30 m und mehr erreichen. Damit durften die Trompetenbäume bleiben, wo sie sind, und mussten nicht nochmals umgepflanzt werden.

Hinweis: Bei Anpflanzungen auf einem Grundstück sollten die entsprechenden Grenzabstände eingehalten werden. So lässt sich späterer Streit grundsätzlich vermeiden.


Quelle: LG Kleve, Urt. v. 29.08.2024 - 6 O 204/23
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Formerfordernis bei Testamentserrichtung: Abschluss durch eigenhändige Unterschrift soll verhindern, dass spätere Zusätze vorgenommen werden

Das Oberlandesgericht München (OLG) musste sich mit den Formerfordernissen zur Erstellung eines privatschriftlichen Testaments befassen. Dabei ging es aber nicht allein um die Bausteine, aus denen das gültige Testament zu bestehen hat, sondern vor allem um ihre Positionierung. Wenn diese nicht stimmt, kann das Testament rechtsunwirksam sein.

Das Oberlandesgericht München (OLG) musste sich mit den Formerfordernissen zur Erstellung eines privatschriftlichen Testaments befassen. Dabei ging es aber nicht allein um die Bausteine, aus denen das gültige Testament zu bestehen hat, sondern vor allem um ihre Positionierung. Wenn diese nicht stimmt, kann das Testament rechtsunwirksam sein.

Der Erblasser, ein britischer Staatsangehöriger, hatte ein Schriftstück hinterlassen, das maschinenschriftlich als "Last Will and Testament" überschrieben war. Darunter befand sich eine handschriftliche Liste mit Namen und Prozentangaben. Rechts neben der Auflistung der einzelnen Namen befand sich auch sein Namenszug. Nachdem das Nachlassgericht ein europäisches Nachlasszeugnis zugunsten der in dem Schriftstück benannten Personen ausgestellt hatte, hatte die dahingehend gerichtete Beschwerde des Sohns als gesetzlicher Erbe Erfolg.

Das OLG stellte fest, dass es sich bei dem Schriftstück um kein gültiges Testament gehandelt hat. Es fehlte die gesetzlich vorgeschriebene eigenhändige Unterschrift des Verfügenden. Eine Unterschrift soll den räumlichen Abschluss einer Urkunde darstellen und sicherstellen, dass keine späteren Zusätze vorgenommen werden. Die Unterschrift muss sich daher in einem räumlichen Verhältnis und Zusammenhang mit dem Text befinden, so dass hieraus klar wird, dass die Erklärung damit auch abgeschlossen ist. Dieses Erfordernis war nach Ansicht des Gerichts nicht erfüllt. Darüber hinaus ließ sich aus dem Schriftstück auch kein Testierwille feststellen. Ohne die maschinenschriftliche Überschrift ließe sich aus der Liste nicht mehr entnehmen, dass der Erblasser überhaupt ein Testament habe errichten wollen. Die formunwirksame Überschrift könne deshalb für die Ermittlung des Willens des Erblassers nicht herangezogen werden. Das Nachlassgericht wurde angewiesen, ein europäisches Nachlasszeugnis zugunsten des gesetzlichen Erben zu erteilen.

Hinweis: Das Schriftstück war im Übrigen selbst nach dem Recht des Heimatlands des Erblassers formunwirksam, da es an der dort geforderten gleichzeitigen Anwesenheit von zwei Zeugen bei der Errichtung des Testaments und deren Unterschriften fehlte. Eine maschinenschriftlich erstellte Überschrift kann hierzulande jedoch dann unschädlich sein, wenn sich ansonsten aus dem Text der Verfügung ergibt, dass der Erblasser eine letztwillige Verfügung von Todes wegen erstellen wollte - und sich die abschließende Unterschrift am Ende des Schriftstücks befindet.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 09.08.2024 - 33 Wx 115/24 e
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

600-EUR-Grenze: Auskunftsanspruch bei geringem Beschwerdewert nicht abzuwehren

Viele Erbstreitigkeiten beginnen mit einer Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Wird ein Erbe durch das Gericht zur Auskunft verpflichtet, kann er sich häufig gegen eine solche Entscheidung nicht zur Wehr setzen, da für eine Beschwerde der hierfür geltende Grenzwert von 600 EUR in der Regel nur selten überschritten wird. Dies hat kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung erneut bestätigt.

Viele Erbstreitigkeiten beginnen mit einer Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Wird ein Erbe durch das Gericht zur Auskunft verpflichtet, kann er sich häufig gegen eine solche Entscheidung nicht zur Wehr setzen, da für eine Beschwerde der hierfür geltende Grenzwert von 600 EUR in der Regel nur selten überschritten wird. Dies hat kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung erneut bestätigt.

Als die pflichtteilsberechtigte Klägerin von der Erbin eine Auskunft über den Bestand des Nachlasses einschließlich aller relevanten Schenkungen erhalten wollte und das Landgericht die Erbin zur Auskunft verpflichtet hatte, scheiterte die Erbin mit der Beschwerde vor dem Oberlandesgericht (OLG). Denn dieses war der Ansicht, dass der erforderliche Beschwerdewert von mehr als 600 EUR nicht erreicht werde. Abzustellen sei dabei auf den Zeit- und Arbeitsaufwand, der für die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft anfalle.

Der BGH bestätigte die zurückweisende Entscheidung des OLG, wonach die Erstellung des Verzeichnisses keinen hohen Aufwand erfordere. Zurückgegriffen werden könne auf die Stundensätze, die ein Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde. Trotz eines beträchtlichen Erblasservermögens war für das Gericht hier nicht ersichtlich, dass ein Aufwand von mehr als 40 Stunden anfallen würde. Auch sah der BGH keine Notwendigkeit für die Erbin, einen Steuerberater oder einen anderen Experten hierfür hinzuzuziehen, der den Beschwerdewert in die Höhe treiben würde. Die Erbin konnte jedenfalls keine plausiblen Gründe dafür vortragen, dass (und wenn ja, warum) sie selbst nicht dazu in der Lage sei, ein solches Verzeichnis zu erstellen.

Hinweis: Ist ein Erbe zur Auskunft über Unternehmensbeteiligungen des Erblassers verpflichtet, und existieren solche in einem außergewöhnlichen Umfang, kann die Hinzuziehung eines sachkundigen Dritten ausnahmsweise erforderlich sein. Aufgrund der hierfür voraussichtlich anfallenden Kosten dürfte dann der Beschwerdewert von 600 EUR überschritten werden (BGH, Beschl. v. 14.01.2009 - XII ZB 146/08).


Quelle: BGH, Beschl. v. 02.10.2024 - IV ZB 29/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 02/2025)

Scraping bei Facebook: Bundesgerichtshof hält selbst kurzzeitigen Kontrollverlust zu Nutzerdaten für schadensersatzwürdig

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich mit Ansprüchen im Zusammenhang mit einem Datenschutzvorfall bei Facebook beschäftigen. Die Frage dabei war, ob das Gefühl, selbst nur kurzzeitig auf den Schutz der eigenen Daten verzichten zu müssen, bereits zu Schadensersatzansprüchen führt - oder ob dafür ein konkreter Schaden erfolgt sein müsse.

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich mit Ansprüchen im Zusammenhang mit einem Datenschutzvorfall bei Facebook beschäftigen. Die Frage dabei war, ob das Gefühl, selbst nur kurzzeitig auf den Schutz der eigenen Daten verzichten zu müssen, bereits zu Schadensersatzansprüchen führt - oder ob dafür ein konkreter Schaden erfolgt sein müsse.

Bei Facebook tauchte Anfang April 2021 folgendes Datenschutzproblem auf: Es wurden Daten von ca. 533 Millionen Facebooknutzern aus 106 Ländern im Internet öffentlich verbreitet. Unbekannte hatten zuvor ausgenutzt, dass Facebook es in Abhängigkeit von den Suchbarkeitseinstellungen des jeweiligen Nutzers ermöglichte, dass dessen Facebookprofil mithilfe seiner Telefonnummer gefunden werden konnte. Sie ordneten in großem Umfang  Telefonnummern den zugehörigen Nutzerkonten zu und griffen die zu diesen Nutzerkonten vorhandenen öffentlichen Daten ab - ein sogenanntes Scraping. Davon war auch ein Mann in Deutschland betroffen. Mit seiner Telefonnummer wurden folgende Daten verknüpft: Nutzer-ID, Vor- und Nachname, Arbeitsstätte und Geschlecht. Deshalb klagte der Mann und meinte, ihm stehe ein immaterieller Schadensersatzanspruch zu, da er einen Kontrollverlust über die Daten erlitten hätte.

Der BGH meinte, dem Mann stünde durchaus ein Schadensersatz zu. Denn selbst der bloße und kurzzeitige Verlust der Kontrolle über eigene personenbezogene Daten durch einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung kann ein immaterieller Schaden sein. Weder muss insoweit eine konkrete missbräuchliche Verwendung dieser Daten erfolgt sein, noch bedarf es sonstiger zusätzlicher spürbarer negativer Folgen.

Hinweis: Der BGH hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er hat Hinweise erteilt und ausgeführt, dass hier keine Bedenken dagegen bestünden, den Ausgleich für den bloßen Kontrollverlust in einer Größenordnung von 100 EUR zu bemessen.


Quelle: BGH, Urt. v. 18.11.2024 - VI ZR 10/24
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 02/2025)