Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Beschlussfreudige WEG: Beschluss darf Verwalter nicht zum Herrn der Gemeinschaft und Eigentümer zu Knechten machen

Unser Grundgesetz regelt in Art. 13 die sogenannte Unverletzlichkeit der Wohnung. Selbstverständlich gibt es Voraussetzungen, die auch dieses Grundrecht außer Kraft setzen - dennoch zeigt dieses Grundrecht, was die Wohnung uns Menschen bedeutet. Sie ist ein sicherer Rückzugsort, die dem Einzelnen einen elementaren Lebensraum zusichert. Da eine Mietwohnung jedoch einen anderen Eigentümer als die Bewohner hat, steht außer Frage, dass es dem Eigentümer unter bestimmten Voraussetzungen auch möglich sein muss, dieses Eigentum zu betreten. Wann dieses Recht nicht einfach durchzusetzen ist, zeigt dieser Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging.

Unser Grundgesetz regelt in Art. 13 die sogenannte Unverletzlichkeit der Wohnung. Selbstverständlich gibt es Voraussetzungen, die auch dieses Grundrecht außer Kraft setzen - dennoch zeigt dieses Grundrecht, was die Wohnung uns Menschen bedeutet. Sie ist ein sicherer Rückzugsort, die dem Einzelnen einen elementaren Lebensraum zusichert. Da eine Mietwohnung jedoch einen anderen Eigentümer als die Bewohner hat, steht außer Frage, dass es dem Eigentümer unter bestimmten Voraussetzungen auch möglich sein muss, dieses Eigentum zu betreten. Wann dieses Recht nicht einfach durchzusetzen ist, zeigt dieser Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging.

In einem Mietvertrag hatte der Vermieter mit seiner Mieterin vereinbart, dass die Besichtigung der Mieträume zu verkehrsüblicher Tageszeit nach vorheriger rechtzeitiger Ankündigung aus besonderem Anlass möglich sein soll - insbesondere im Fall der Beendigung des Mietverhältnisses zwecks anderweitiger Vermietung oder bei beabsichtigtem Verkauf der Wohnung. Zwei Jahre nach Abschluss des Mietvertrags wollte der Vermieter die Wohnung verkaufen und forderte seine Mieterin auf, ihm und Interessenten in Begleitung von Immobilienmaklern den Zutritt zur Wohnung zu gestatten. Die Mieterin lehnte dies unter Verweis auf eine schwerwiegende psychische Erkrankung ab.

Das erstinstanzliche Amtsgericht bot einen (abgelehnten) Kompromiss an, bei dem maximal zwei Personen für maximal 45 Minuten die Wohnung zur Besichtigung betreten dürften. Doch ein später vom Landgericht (LG) beauftragter Psychiater bestätigte, dass die Mieterin schon lange an einer komplexen psychischen Störung leide. Ihre Wohnung sei nach mehreren Suizidversuchen ihr einziger Schutzraum, den "Fremde" nun bedrohen würden, wenn sie die Wohnung betreten. Ein erneuter Suizidversuch sei nicht unwahrscheinlich. Auf Basis dieses Gutachtens lehnte das LG die Klage der Vermieter als "derzeit unbegründet" ab.

Schließlich ging der Rechtsstreit bis zum BGH. Zunächst bestätigte dieser, dass es grundsätzlich eine vertragliche, aus § 242 Bürgerliches Gesetzbuch herzuleitende Nebenpflicht des Wohnraummieters ist, dem Vermieter nach entsprechender Vorankündigung den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gebe. Eine solche Pflicht kann sich (wie hier vorliegend) zudem aus einer entsprechenden Vereinbarung im Mietvertrag ergeben. Dennoch gilt, dass das Besichtigungsrecht der Vermieter eingeschränkt werden könne, wenn Gesundheit oder Leben der Mieterin dadurch ernsthaft in Gefahr gebracht würden. Dann müssten die Eigentümerinteressen zurückstehen. Hier muss die Vorinstanz jedoch nochmals prüfen, ob sich die gesundheitlichen Folgen für die Mieterin durch entsprechende Einschränkungen des Besuchsrechts reduzieren lassen. Der BGH verwies die Angelegenheit deshalb an das Berufungsgericht zurück. Das LG hatte in Augen des BGH nämlich die Möglichkeit außer Acht gelassen, die Besichtigung in Abwesenheit der Mieterin durchzuführen. Der Gutachter habe erklärt, dass sich die Gesundheitsrisiken reduzieren ließen, wenn eine Vertrauensperson der Mieterin an ihrer statt an der Wohnungsbesichtigung teilnähme.

Hinweis: Mieter sollten stets beachten, dass der Vermieter grundsätzlich nach vorheriger Ankündigung ein Besichtigungsrecht der Wohnung oder des Mietshauses hat. Natürlich dürfen es Vermieter dabei nicht übertreiben. Was möglich ist und was nicht, kann im Zweifel der Rechtsanwalt des Vertrauens sagen.


Quelle: BGH, Urt. v. 26.04.2023 - VIII ZR 420/21
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Besichtigungsrecht des Vermieters: Eigentümerinteressen müssen gegenüber Gesundheitsgefahren auf Mieterseite zurückstehen

Ob der folgende Fall damit zusammenhängt, dass der Umgang in Deutschland rauer geworden ist und viele Nerven blank liegen, bleibt dahingestellt. Fakt ist, dass das Verhältnis zwischen Vermietern und Mietern traditionell spannungsgeladen sein kann. Dennoch gibt es Grenzen, die man im Umgang miteinander besser nie überschreiten sollte. Das Urteil des Amtsgerichts Hanau (AG) ist daher nicht überraschend.

Ob der folgende Fall damit zusammenhängt, dass der Umgang in Deutschland rauer geworden ist und viele Nerven blank liegen, bleibt dahingestellt. Fakt ist, dass das Verhältnis zwischen Vermietern und Mietern traditionell spannungsgeladen sein kann. Dennoch gibt es Grenzen, die man im Umgang miteinander besser nie überschreiten sollte. Das Urteil des Amtsgerichts Hanau (AG) ist daher nicht überraschend.

Zwischen einer Vermieterin und einer Mieterin herrschte seit einer langen Zeit bereits Streit, auch über die Räumung und Herausgabe der Mietwohnung. Nun stritten die Parteien auch noch um die Gartennutzung, die eines Abends in eine Auseinandersetzung gipfelte. In diesem zunächst verbalen Streit sei die Vermieterin massiv beleidigt und bedroht worden. Schließlich habe die Mieterin sie sogar mit dem Tode bedroht und ihre Tochter lautstark aufgefordert, ihr ein Messer zu bringen. Mit diesem Messer stach die Mieterin schließlich auf die zwischenzeitlich wieder geschlossene Wohnungstür der Vermieterin. Dass danach die fristlose Kündigung eintrudelte, mag niemanden verwundern. Die für den vorgerichtlichen anwaltlichen Rat angefallenen 1.134 EUR wollte die Vermieterin nun auch von der Mieterin erstattet haben.

Das AG gab der Vermieterin recht und bestätigte ihr den Anspruch der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes. Wegen des Vorfalls im Garten stand der Vermieterin das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses zu. Bedroht im Rahmen einer verbalen Auseinandersetzung ein Mieter seinen Vermieter mit dem Tode und fordert in diesem Zug Dritte auf, ihm ein Messer zu bringen, kann der Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen. Ob und in welchem Umfang es tatsächlich zu Tätlichkeiten gekommen ist, ist dabei ohne Relevanz.

Hinweis: Wenn es zu Straftaten zu Lasten des Vermieters gekommen ist, werden Kündigungen durch die Gerichte häufig abgesegnet. Denn so etwas muss sich kein Vermieter bieten lassen.


Quelle: AG Hanau, Urt. v. 22.05.2023 - 34 C 80/22 (14)
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Beitragslöschung im Social Net: Beleidigende - und somit strafbare - Inhalte müssen nicht wiederhergestellt werden

Durch offene Grenzen besonders innerhalb der EU kann einiges in Vergessenheit geraten, was nach wie vor im Großteil der Welt auf Reisen gilt. Und das betrifft nicht nur Stromadapter und Geldumtausch - der Reisepass ist nach wie vor ein großes Must-have, wenn einer eine Reise tut. Ob ein Reisebüro eine Hinweispflicht hat, wenn der Reisende einen Reisepass benötigt, musste nun vom Amtsgericht München (AG) beantwortet werden.

Durch offene Grenzen besonders innerhalb der EU kann einiges in Vergessenheit geraten, was nach wie vor im Großteil der Welt auf Reisen gilt. Und das betrifft nicht nur Stromadapter und Geldumtausch - der Reisepass ist nach wie vor ein großes Must-have, wenn einer eine Reise tut. Ob ein Reisebüro eine Hinweispflicht hat, wenn der Reisende einen Reisepass benötigt, musste nun vom Amtsgericht München (AG) beantwortet werden.

Ein Mann hatte für sich und eine Begleiterin beim Reiseunternehmen für 2.200 EUR eine einwöchige Pauschalreise nach Dubai gebucht. Da er keinen gültigen Reisepass besaß, konnte er die Reise nicht antreten. Nun meinte er, das Reisebüro sei daran schuld, weil es ihn nicht darauf hingewiesen hatte, dass er einen gültigen Reisepass benötige. Das Reisebüro hätte ihn nicht über Pass- und Visaerfordernisse oder Fristen zur Erlangung entsprechender Dokumente informiert. Er forderte sein Geld zurück und klagte.

Doch das AG teilte seine Meinung nicht und versagte dem Mann den Anspruch. In Art. 250 § 3 Nr. 6 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) findet sich zwar die explizite Regelung einer vorvertraglichen Unterrichtungspflicht, wonach der Reiseveranstalter den Reisenden über "allgemeine Pass- und Visumserfordernisse des Bestimmungslandes" einschließlich der ungefähren Fristen für die Erlangung von Visa informieren muss. Der Hinweis auf die allgemeine Notwendigkeit eines gültigen Reisepasses sei von Art. 250 § 3 Nr. 6 EGBGB allerdings nicht umfasst. Denn dabei handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit.

Hinweis: Nach Meinung des Richters gibt es also keine Hinweispflicht eines Reisebüros auf die Notwendigkeit eines Reisepasses. Natürlich sollten sich Reisende über die erforderlichen Dokumente im Ausland zuvor informieren. Im Regelfall hilft das Reisebüro dabei - eine Verpflichtung, darauf aktiv hinzuweisen, hat es hingegen nicht.


Quelle: AG München, Urt. v. 12.07.2023 - 171 C 3319/23
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 10/2023)

Angemessenes Risiko: Verunfallt ein Polizeifahrzeug bei Verfolgung, kann Flüchtender zur Haftung gezogen werden

Wer alltägliche Notwendigkeiten zusammen mit einem kleinen Kind zu bewältigen hat, weiß, dass kleine spielerische Routinen das Ganze etwas auflockern und somit erleichtern. Das Amtsgericht Neunkirchen (AG) musste über einen Fall entscheiden, bei dem ein Vater seiner Tochter erlaubte, nach Beladen des Familienautos den leeren Einkaufswagen zurückschieben zu dürfen. Sie ahnen womöglich, was folgte.

Wer alltägliche Notwendigkeiten zusammen mit einem kleinen Kind zu bewältigen hat, weiß, dass kleine spielerische Routinen das Ganze etwas auflockern und somit erleichtern. Das Amtsgericht Neunkirchen (AG) musste über einen Fall entscheiden, bei dem ein Vater seiner Tochter erlaubte, nach Beladen des Familienautos den leeren Einkaufswagen zurückschieben zu dürfen. Sie ahnen womöglich, was folgte.

Nachdem der Einkaufswagen geleert war, erlaubte der Vater seiner fünfjährigen Tochter, den Wagen zur Sammelstelle zurückzuschieben. Er selbst ging nicht mit. Es kam, wie es kommen musste: Das kleine Mädchen verlor die Kontrolle über den Wagen, der daraufhin mit einem geparkten Pkw kollidierte. Logischerweise forderte der Geschädigte nun Schadensersatz. Der Vater aber verweigerte die Zahlung, denn schließlich sei seine Tochter mit ihren erst fünf Jahren nicht verantwortlich zu machen. Und seiner Meinung nach läge auch keine Aufsichtspflichtverletzung vor, da er schon mehrfach mit der Tochter den Einkaufswagen weggebracht habe und ihr beigebracht hatte, wie man diesen sicher schiebt.

Die Endung des letzten Satzes mag nahelegen, wie das AG entschied - und zwar dahingehend, dass der Vater seine Aufsichtspflicht verletzt hatte. Zwar konnte festgestellt werden, dass das Mädchen ein aufmerksames, wissbegieriges Kind sei, das Anweisungen auch verstehe. Das Gericht argumentierte aber, dass es sich bei dem Einkaufswagen um einen nicht alltäglichen Gegenstand handelt, der bewegt wurde. Unabhängig von dem eigenwilligen Bewegungsverhalten der Einkaufswagen, das selbst ausgewachsene Menschen hinlänglich kennen, war zudem zu berücksichtigen, dass der Wagen ca. 1 m hoch war und schon allein aufgrund der Größenverhältnisse nicht davon ausgegangen werden konnte, dass das Kind den Wagen ständig unter Kontrolle habe. Aufgrund der frei beweglichen Räder könne auch ein unverhoffter Richtungswechsel nie auszuschließen sein. Weiterhin war noch zu berücksichtigen, dass sich im Wegebereich Fahrzeuge befanden, so dass die Gefahr einer Beschädigung fremder Sachen nicht ganz fernlag. Unter diesen Umständen hätte der Vater zumindest mitgehen müssen, um gegebenenfalls lenkend einzugreifen.

Hinweis: Im Straßenverkehr richtet sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach der konkreten Gefahrensituation, wie sie sich beispielsweise aus dem Straßenverlauf, der Verkehrsdichte und der Verkehrssituation ergibt. Das Gleiche gilt für die Belehrung des Kindes für das Verhalten im Straßenverkehr. Der Aufsichtspflichtige muss in der konkreten Gefahrensituation die richtigen Anweisungen gegeben haben, die ihm zumutbar und nach der Lebenserfahrung geeignet sind, einen Schaden hinsichtlich dritter Personen zu verhindern.


Quelle: AG Neunkirchen, Urt. v. 26.05.2023 - 4 C 33/22 (02)
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Betrunkener E-Scooter-Fahrer: Gesamtschau entscheidet über Ausnahme beim Fahrerlaubnisentzug

Weder Kennzeichen noch Blinker und eben auch keine schützende Hülle außer der bekleideten eigenen Haut: Fahrradfahren ist mit vielen Risiken behaftet. Und genau darum gilt auch besondere Vorsicht für jeden, der sich auf zwei Rädern durchs Leben bewegt. Im folgenden Fall hatte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) nicht etwa die Unfallfolgen von zwei ungleich "starken" Beteiligten, sondern die von zwei Radfahrern zu bewerten, die miteinander kollidiert waren.

Weder Kennzeichen noch Blinker und eben auch keine schützende Hülle außer der bekleideten eigenen Haut: Fahrradfahren ist mit vielen Risiken behaftet. Und genau darum gilt auch besondere Vorsicht für jeden, der sich auf zwei Rädern durchs Leben bewegt. Im folgenden Fall hatte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) nicht etwa die Unfallfolgen von zwei ungleich "starken" Beteiligten, sondern die von zwei Radfahrern zu bewerten, die miteinander kollidiert waren.

Ein Mann und eine Frau hatten sich zu einer Radtour verabredet und fuhren auf dem Radweg nebeneinander. Plötzlich bog der rechts fahrende Radler nach links ab und kollidierte dabei mit der links neben ihm fahrenden Radfahrerin. Diese stürzte und verletzte sich schwer. Die Geschädigte forderte Schadensersatz und Schmerzensgeld - doch die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers verweigerte die Zahlung. Sie berief sich darauf, dass der Mann vor dem Abbiegen durch Zuruf den Richtungswechsel angekündigt habe. Daher sei die Frau selbst schuld.

Das OLG gab jedoch der Geschädigten recht. Will einer von zwei nebeneinander fahrenden Radfahrern abbiegen, muss er sich so verhalten, dass eine Kollision ausgeschlossen ist. Und eben dies war hier nicht geschehen. Abgesehen davon, dass der Mann nicht beweisen konnte, dass er die Abbiegeabsicht bereits verbal geäußert hatte, hätte er in dieser Fahrsituation anders handeln müssen. Da er rechts von der Frau fuhr, musste er deren Weg kreuzen, daher hatte er eine gesteigerte Sorgfaltspflicht, eine Kollision zu verhindern. Er hätte also eindeutig und mit deutlichen Handzeichen seine Abbiegeabsicht erkennbar machen müssen. Ein Mitverschulden der Frau war dabei nicht erkennbar.

Hinweis: Die Verpflichtung, den Fahrtrichtungswechsel anzuzeigen, gilt auch für Radfahrer. Da der Radfahrer, der abbiegen wollte, weder durch ein deutliches Handzeichen noch durch erkennbare Drosselung seiner Geschwindigkeit den Fahrtrichtungswechsel angezeigt hat, ergaben sich für die verunfallte Radfahrerin keine Anhaltspunkte für das beabsichtigte Abbiegemanöver, auf welche sie sich hätte einstellen können. Hiermit musste sie nicht rechnen, so dass der abbiegende Radfahrer allein haftet.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 16.06.2023 - 10 U 255/21
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Gesteigerte Sorgfaltspflicht: Radfahrer muss Abbiegeabsicht dem neben ihm Radelnden deutlich ankündigen

Der folgende Fall des Landgerichts Frankenthal (LG) hat es in sich. Denn hier stand die Frage im Raum, ob ein vor einer Fahrzeugkontrolle Flüchtender für Unfallfolgen haften muss, die auf den ersten Blick die polizeilichen Verfolger verursacht haben. Und wie es eben so ist, für die Gesamtbetrachtung stellt das Gericht vor der Beantwortung die Gegenfrage in den Raum, ob die Fahrweise der Polizei als unangemessen zu betrachten war.

Der folgende Fall des Landgerichts Frankenthal (LG) hat es in sich. Denn hier stand die Frage im Raum, ob ein vor einer Fahrzeugkontrolle Flüchtender für Unfallfolgen haften muss, die auf den ersten Blick die polizeilichen Verfolger verursacht haben. Und wie es eben so ist, für die Gesamtbetrachtung stellt das Gericht vor der Beantwortung die Gegenfrage in den Raum, ob die Fahrweise der Polizei als unangemessen zu betrachten war.

Statt den Anweisungen der Polizei zum Zweck einer Fahrzeugkontrolle Folge zu leisten, trat ein Autofahrer auf der Autobahn aufs Gaspedal und flüchtete. Er verließ schließlich die Autobahn und fuhr über Bundes- und Kreisstraßen, während die Polizei ihm folgte. Und eben die entdeckte den Flüchtenden schließlich auf einem Parkplatz, auf den sie auch prompt auffahren wollte. Dabei geriet das Polizeifahrzeug jedoch aufgrund des Bremsmanövers ins Schlingern und prallte gegen eine Leitplanke. Die Polizeibehörde forderte nun Schadensersatz von dem Geflohenen. Dieser verweigerte die Zahlung jedoch mit dem Hinweis, es habe ein Fahrfehler der Polizei vorgelegen, schließlich habe er selbst schon auf dem Parkplatz gestanden.

Das LG gab hingegen der Behörde Recht. Nach Ansicht des Gerichts haftet der verfolgte Autofahrer nur dann nicht für einen derart entstandenen Schaden, wenn die Fahrweise der Polizei völlig unangemessen gewesen sei. Das aber war hier nicht der Fall gewesen. Vielmehr seien die lange Verfolgungsfahrt und auch das starke Bremsmanöver, das zum Schlingern des Polizeifahrzeugs führte, auf die von dem Verfolgten geschaffene Situation zurückzuführen. Um den Flüchtenden zu ergreifen, habe der Polizeibeamte beim Bremsen ein gewisses Risiko eingehen müssen.

Hinweis: Wer eine Verfolgung durch die Polizei heraufbeschwört, kann sich nicht auf ein Verschulden des anderen berufen. Die Grenze der Zurechnung ist erst dann überschritten, wenn sich die Verfolger in gänzlich unangemessener Weise einer Gefahr aussetzen. Hier waren sowohl die Verfolgung als auch das harte Bremsmanöver geboten, nachdem der Flüchtende auf dem Parkplatz entdeckt worden war.
 
 


Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 24.05.2023 - 1 O 50/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Haftung für Mindestlohn? Außenstehenden Dritten haften GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich nicht persönlich

Wer "arm im Sinne des Gesetzes" ist, kann Verfahrenskostenhilfe (VKH) bewilligt bekommen. Dazu gehört auch eine Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse, und das bis vier Jahre nach Verfahrensabschluss. Wem VKH (auch Prozesskostenhilfe) bewilligt wurde, muss in dieser Zeit unaufgefordert mitteilen, wenn sich die wirtschaftliche Situation verbessert hat. Ein Unterlassen kann zur Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung führen - wo wir beim Kernpunkt des folgenden Falls sind, den das Oberlandesgericht Dresden (OLG) zu entscheiden hatte.

Wer "arm im Sinne des Gesetzes" ist, kann Verfahrenskostenhilfe (VKH) bewilligt bekommen. Dazu gehört auch eine Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse, und das bis vier Jahre nach Verfahrensabschluss. Wem VKH (auch Prozesskostenhilfe) bewilligt wurde, muss in dieser Zeit unaufgefordert mitteilen, wenn sich die wirtschaftliche Situation verbessert hat. Ein Unterlassen kann zur Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung führen - wo wir beim Kernpunkt des folgenden Falls sind, den das Oberlandesgericht Dresden (OLG) zu entscheiden hatte.

Einer Mutter, deren einziges Einkommen Elterngeld war und die in einen Umgangsstreit vor Gericht verwickelt war, wurde VKH zugestanden. Nach dem Verfahren war sie dann auch wieder berufstätig geworden und bezog dadurch deutlich höhere Einkünfte als das Elterngeld - allerdings immer noch so wenig, dass sie weiterhin "arm" war. Dennoch entzog das Amtsgericht ihr die bewilligte VKH und forderte über 3.000 EUR - und zwar als Sanktion dafür, dass sie die Einkommenserhöhung nicht unaufgefordert mitgeteilt hatte.

Das Gericht kann die Bewilligung der VKH aufheben, wenn der Beteiligte dem Gericht wesentliche Verbesserungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Bezieht er ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zugrunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 EUR übersteigt. Dies gilt entsprechend, wenn abzugsfähige Belastungen entfallen. Es stand daher die Frage im Raum, ob durch die Einkommenserhöhung von "100 EUR monatlich mehr" die Bedürftigkeitsvoraussetzungen entfallen. Das OLG erläuterte, dass diese Rechtsfrage durchaus uneinheitlich beantwortet wird, und stellte sich daraufhin auf die Seite der Frau. In den Augen des OLG könnten vom Gesetzgeber nur verschwiegene Einkommenserhöhungen, mit denen man aus der Armutsgrenze herauskommt, gemeint gewesen sein. Und über diese Schwelle ist die Frau hier leider noch nicht gegangen.

Hinweis: Die Mitteilungspflichten gehen aus dem Kleingedruckten im Formular hervor, das der VKH-Antragsteller ausfüllen und unterschreiben muss. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass diese Hinweise selten gelesen werden. In den meisten Bewilligungsbeschlüssen zur VKH wird der Hinweis auf diese Pflicht auch nicht wiederholt.


Quelle: OLG Dresden, Urt. v. 14.08.2023 - 18 WF 203/23
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Handynutzender Busfahrer: Lebenslanges Fahrverbot durch marktbeherrschendes Unternehmen ist unverhältnismäßig

Dass Betriebsräte ein Stein im Schuh der Arbeitgeber sein können, nicken sicher auch Arbeitnehmer ab. Denn die Interessen von Arbeitgebern und -nehmern laufen naturgemäß oft zuwider. Deshalb aber zu versuchen, dem Betriebsrat das (Arbeits-)Leben schikanös zu erschweren, fällt oft auf die Arbeitgeber selbst zurück. So wie im Fall des Landesarbeitsgerichts Köln (LAG): Der zugrundeliegende Streit war nicht nur bereits im Kern unsinnig - er führte auch dazu, dass der Arbeitgeber letztlich das gesamte Verfahren zu zahlen hatte.

Dass Betriebsräte ein Stein im Schuh der Arbeitgeber sein können, nicken sicher auch Arbeitnehmer ab. Denn die Interessen von Arbeitgebern und -nehmern laufen naturgemäß oft zuwider. Deshalb aber zu versuchen, dem Betriebsrat das (Arbeits-)Leben schikanös zu erschweren, fällt oft auf die Arbeitgeber selbst zurück. So wie im Fall des Landesarbeitsgerichts Köln (LAG): Der zugrundeliegende Streit war nicht nur bereits im Kern unsinnig - er führte auch dazu, dass der Arbeitgeber letztlich das gesamte Verfahren zu zahlen hatte.

Der Betriebsrat hatte in einem Verfahren einen Beschluss des Arbeitsgerichts (ArbG) erwirkt, wonach ihm ein funktionsfähiger Laptop zur Verfügung zu stellen ist. Die Filialdirektorin der Arbeitgeberin erklärte daraufhin dem Betriebsratsvorsitzenden, sie händige den Laptop nur unter der Voraussetzung aus, dass man ihr sage, wo sie diesen befestigen könne. Die Arbeitgeberin meinte nämlich, mit der Verpflichtung zur Überlassung eines Laptops sei nicht der standortunabhängige Einsatz verbunden. Zudem habe sie ein Interesse daran, den Laptop durch die Befestigung vor Verlust oder Beschädigung zu sichern. Der Betriebsrat wollte daraufhin die Entscheidung des ArbG durch eine Zwangsvollstreckung umsetzen. Dagegen wiederum zog die Arbeitgeberin vor die Gerichte.

Das LAG entschied, dass die Überlassung eines Laptops unter der Bedingung, diesen im Betriebsratsbüro zu befestigen, den Anspruch des Betriebsrats nicht erfülle. Ein Laptop ist per Definition nämlich ein Mobilgerät - und damit eben auch standortunabhängig verwendbar. Eine Befestigung würde damit der definitionsgemäßen Verwendungsmöglichkeit entgegenstehen. Und schließlich gehöre der pflegsame Umgang mit überlassenen Sachmitteln zu den Rücksichtnahmepflichten des Betriebsrats nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Anhaltspunkte dafür, dass die Besorgnis berechtigt sei, der Betriebsrat würde dem nicht entsprechen, bestanden nicht.

Hinweis: Ein Arbeitgeber, der verpflichtet ist, seinem Betriebsrat ein Laptop zur Verfügung zu stellen, kommt dieser Verpflichtung nicht nach, wenn er auf der festen Montage des Geräts besteht. Anhand dieses Falls ist gut erkennbar, dass Streitigkeiten zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat auch übertrieben werden können.


Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 05.06.2023 - 5 Ta 26/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Keine Modernisierungsmaßnahme: Bloßer Austausch von Rauchmeldern führt nicht zur Mieterhöhung

"Augen auf im Straßenverkehr!" ist immer eine gute Devise. Und die gilt in Verbindung mit Geschwindigkeit und Fallhöhe vor allem auch für die relativ ungeschützten Radler, wie der folgende Fall des Landgerichts Köln (LG) beweist. Denn hier war die Frage, ob eine Gemeinde stets für optimale Straßenverhältnisse zu sorgen und entsprechend in jedem bzw. für jeden Fall haftbar gemacht werden kann.

"Augen auf im Straßenverkehr!" ist immer eine gute Devise. Und die gilt in Verbindung mit Geschwindigkeit und Fallhöhe vor allem auch für die relativ ungeschützten Radler, wie der folgende Fall des Landgerichts Köln (LG) beweist. Denn hier war die Frage, ob eine Gemeinde stets für optimale Straßenverhältnisse zu sorgen und entsprechend in jedem bzw. für jeden Fall haftbar gemacht werden kann.

Eine Radfahrerin befuhr eine Ortsverbindungsstraße, auf der zu Entwässerungszwecken eine Teerschwelle von 30 cm Breite und 10 cm Höhe aufgebracht worden war. Um die Schwelle zu passieren, stoppte sie abrupt und fiel einige Meter weiter zu Boden. Sie zog sich erhebliche Verletzungen zu und forderte Schadensersatz und Schmerzensgeld von der Gemeinde. Ihrer Meinung nach habe diese nicht ausreichend vor der Schwelle gewarnt oder diese ausreichend kenntlich gemacht. Daher liege eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vor.

Das LG wies die Klage ab. Die Schwelle sei aufgrund ihrer (im Vergleich zur Fahrbahn) dunkleren Färbung für die Radfahrerin erkennbar gewesen. Wäre sie mit der gebotenen Sorgfalt und angepasster Geschwindigkeit unterwegs gewesen, hätte sie die Schwelle rechtzeitig erkennen müssen. Die Gemeinde ist nicht verpflichtet, vor Hindernissen zu warnen, die erkennbar sind. Zudem dürften Fahrradfahrer auch nicht darauf vertrauen, dass immer optimale Straßenverhältnisse vorherrschen - im Gegenteil: Sie müssen vielmehr immer mit Unebenheiten rechnen.

Hinweis: Verkehrssicherungspflicht bedeutet nicht, dass Straßen gefahrlos und frei von allen Mängeln sein müssen, denn eine vollständige Gefahrlosigkeit kann mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht werden. Es sind allerdings diejenigen Gefahren auszuräumen, die für einen sorgfältigen Benutzer der Straße nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Bei Radwegen können gefährliche Vertiefungen und Hindernisse, mit denen der sorgfältige Radfahrer nicht zu rechnen braucht, zu einer Haftung wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung führen.


Quelle: LG Köln, Urt. v. 16.05.2023 - 5 O 16/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Teerschwelle auf dem Weg: Keine Haftung nach Sturz über erkennbare Hindernisse

Das Landgericht Osnabrück (LG) hatte im Rahmen eines Berufungsverfahrens über die Frage zu entscheiden, ob bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist oder ob es auch hier Ausnahmen zur Regel geben kann. Wie so oft bei Rechtsfragen, hieß es auch hier: "Kommt ganz drauf an." Und wenn man die sogenannte Gesamtschau berücksichtigt, wird auch klar, warum.

Das Landgericht Osnabrück (LG) hatte im Rahmen eines Berufungsverfahrens über die Frage zu entscheiden, ob bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist oder ob es auch hier Ausnahmen zur Regel geben kann. Wie so oft bei Rechtsfragen, hieß es auch hier: "Kommt ganz drauf an." Und wenn man die sogenannte Gesamtschau berücksichtigt, wird auch klar, warum.

Der Betroffene war mit einem Blutalkoholwert von 1,44 ‰ von der Polizei aufgegriffen worden. Erstinstanzlich hatte das Amtsgericht Osnabrück in seinem Urteil vom 02.02.2023 von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen und stattdessen ein Fahrverbot von fünf Monaten ausgesprochen. Hiergegen richtete sich die Berufung der Staatsanwaltschaft.

Das LG hat mit seinem Urteil die Berufung der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen. Im Rahmen der Urteilsbegründung wurde betont, dass zwar nach obergerichtlicher Rechtsprechung bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter die Fahrerlaubnis entzogen werden kann. Dass bei einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis zu entziehen ist, stellt hierbei den Regelfall dar. Ob eine Ausnahme besteht, ist durch eine Gesamtschau zu ermitteln. Grundsätzlich werden an die Annahme einer solchen Ausnahme aber sehr hohe Anforderungen gestellt. Nach Auffassung der Kammer lag hier ein solcher Ausnahmefall vor. Der Angeklagte hatte beabsichtigt, nur eine äußerst kurze Strecke - rund 150 m - mit dem E-Scooter zu fahren. Er hat nicht nur sein Verhalten bereut und hierfür um Entschuldigung geben, sondern auch an einem verkehrspädagogischen Seminar teilgenommen und medizinisch nachgewiesen, dass er in den vergangenen Monaten keinen Alkohol getrunken habe. Das Gericht ging daher davon aus, dass der Angeklagte - nunmehr - geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr ist und mithin eine Ausnahme vom Regelfall des Fahrerlaubnisentzugs vorliegt.

Hinweis: Der Bundesgerichtshof hatte im April 2023 entschieden, dass die Wertgrenze von 1,1 ‰ auch beim Fahren mit einem E-Scooter (Höchstgeschwindigkeit rund 25 km/h) zu der unwiderlegbaren Vermutung der absoluten Fahruntüchtigkeit führt. Nach der Regelvermutung zu § 69 Abs. 2 Nr. 2 Strafgesetzbuch ist bei Trunkenheitsfahrten der Führerschein zu entziehen. Diese Vermutung ist widerlegbar. Ob bei einer - vermuteten - absoluten Fahruntüchtigkeit bie der Nutzung eines E-Scooters auch eine Entziehung der Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist, ist in der Rechtsprechung umstritten. Es kommt darauf an, ob bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter im Gegensatz zur Nutzung eines Kraftfahrzeugs ein geringeres abstraktes Gefährdungspotential besteht.


Quelle: LG Osnabrück, Urt. v. 17.08.2023 - 5 NBs 59/23
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)