Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Angelegenheit der elterlichen Sorge: Behörde muss die Impfpflicht gegenüber beiden Sorgeberechtigten durchsetzen

Nicht erst seit der Coronapandemie wird die Impfpflicht politisch diskutiert, denn eine solche gibt es bereits gegen Masern für Schüler und Lehrer, in Kitas und Ferienlagern (§ 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG). Dort gilt die 2G-Regel, da neben einem Impfschutz auch die Immunität nach durchlebter Masernerkrankung nachgewiesen werden kann. Ein solcher Fall landete vor dem Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt (OVG).

Nicht erst seit der Coronapandemie wird die Impfpflicht politisch diskutiert, denn eine solche gibt es bereits gegen Masern für Schüler und Lehrer, in Kitas und Ferienlagern (§ 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG). Dort gilt die 2G-Regel, da neben einem Impfschutz auch die Immunität nach durchlebter Masernerkrankung nachgewiesen werden kann. Ein solcher Fall landete vor dem Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt (OVG).

Die Eltern eines achtjährigen Kindes waren offensichtlich Impfgegner und bestritten die Verfassungsmäßigkeit der maßgeblichen Regelungen des Infektionsschutgesetzes (IfSG). Sie waren der Behörde schon mit einer unrichtigen Impfbescheinigung und einer nicht akzeptierten Impfunfähigkeitsbescheinigung aufgefallen. Dann hatten sie eine Blutprobe eingereicht, die die Immunität des Kindes nachweisen sollte, wobei Zweifel bestanden, dass es sich um das Blut des Kindes handelte.

Vor dem OVG ging es um etliche rechtliche Aspekte, aber auch um einen familienrechtlichen: Die Behörde hatte ihre Bescheide nämlich nur an den Vater adressiert, nicht aber auch an die Mutter. Die Eltern lebten mit dem Kind zusammen und waren beide sorgeberechtigt. Da Impfentscheidungen aber eine Angelegenheit der elterlichen Sorge sind, über die nur beide gemeinsam entscheiden können, bedarf es einer behördlichen Anordnung gegenüber beiden gemeinsam sorgeberechtigten Elternteilen.

Hinweis: Die ergangene Rechtsprechung zur Impfpflicht gegen Masern wird sich auf die eventuelle Impfpflicht gegen COVID-19 übertragen lassen.


Quelle: OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 21.10.2021 - 3 M 134/21
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 01/2022)

Abgasskandal: Voraussetzungen für den Rücktritt vom Kaufvertrag

Die Klagen rund um den Diesel- oder auch Abgasskandal nehmen sicherlich noch eine Weile die Gerichte in Anspruch. Im Folgenden hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage zu befassen, ob Käufer von Neufahrzeugen, die vom Abgasskandal betroffen sind, vom Kaufvertrag ohne Fristsetzung zurücktreten können oder dem Verkäufer zuvor Gelegenheit zur Mangelbeseitigung - beispielsweise durch ein Software-Update - gegeben werden muss.

Die Klagen rund um den Diesel- oder auch Abgasskandal nehmen sicherlich noch eine Weile die Gerichte in Anspruch. Im Folgenden hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage zu befassen, ob Käufer von Neufahrzeugen, die vom Abgasskandal betroffen sind, vom Kaufvertrag ohne Fristsetzung zurücktreten können oder dem Verkäufer zuvor Gelegenheit zur Mangelbeseitigung - beispielsweise durch ein Software-Update - gegeben werden muss.

Der Kläger erwarb im Jahr 2015 bei der beklagten Fahrzeughändlerin ein mit einem von VW hergestellten Dieselmotor EA 189 ausgestattetes Neufahrzeug der Marke Škoda. Nachdem die Verwendung entsprechender Vorrichtungen bei Dieselmotoren dieses Typs im Verlauf des sogenannten Dieselskandals öffentlich bekannt geworden war, erklärte der Kläger im Herbst 2017 den Rücktritt vom Vertrag. Die Beklagte verweigerte die Rücknahme des Fahrzeugs und verwies den Kläger auf das von VW entwickelte und von der zuständigen Behörde freigegebene Software-Update. Der Kläger ließ das Software-Update jedoch nicht aufspielen, weil er negative Folgen für das Fahrzeug befürchtete.

Der BGH entschied, dass eine dem Verkäufer vor Ausübung eines mangelbedingten Rücktrittsrechts vom Käufer einzuräumende Frist zur Nacherfüllung nicht allein deshalb entbehrlich - also verzichtbar - ist, weil das betreffende Fahrzeug vom Hersteller mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Verkehr gebracht worden ist. Auch der (bloße) Verdacht, dass ein zur Mängelbeseitigung angebotenes Software-Update zu anderen Nachteilen am Fahrzeug führen könne, zähle nicht. Hier bedarf es zunächst einer weitergehenden Prüfung und einer (sachverständigen) Feststellung. Ein Rücktritt setze grundsätzlich einen Sachmangel voraus. Ebenso müsse dazu eine erfolglose (angemessene) Fristsetzung zur Nacherfüllung (Nachbesserung oder Nachlieferung) vorausgehen. Der Senat hat den Rechtsstreit daher zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.

Hinweis: Eine Fristsetzung ist nur entbehrlich, wenn dem Käufer eine Nacherfüllung unzumutbar ist oder besondere Umstände unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Dies bejaht die höchstrichterliche Rechtsprechung unter anderem dann, wenn der Verkäufer dem Käufer einen ihm bekannten Mangel bei Abschluss des Kaufvertrags arglistig verschwiegen hat, weil hierdurch regelmäßig die auf Seiten des Käufers zur Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage entfällt. Diese Rechtsprechung lässt sich aber nicht ohne weiteres auf Fälle wie diesen übertragen, in denen zwar der Hersteller das Fahrzeug mit einem ihm bekannten und verschwiegenen Mangel - der unzulässigen Abschalteinrichtung - in den Verkehr gebracht hat, dem Verkäufer selbst dieser Mangel bei Vertragsabschluss aber nicht bekannt war.


Quelle: BGH, Urt. v. 29.09.2021 - VIII ZR 111/20
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 01/2022)

Nur bei tatsächlicher Mehrarbeit: Keine grundsätzliche Verweigerung von Rufbereitschaft durch schwerbehinderte Arbeitnehmer

Mitarbeiter mit schweren Behnderungen müssen keine Mehrarbeit leisten. Wie sich dieser gesetzlich verankerte Umstand auf die Rufbereitschaft auswirkt, war Dreh- und Angelpunkt im folgenden Arbeitsrechtsfall, der schließlich  vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ausgefochten wurde.

Mitarbeiter mit schweren Behnderungen müssen keine Mehrarbeit leisten. Wie sich dieser gesetzlich verankerte Umstand auf die Rufbereitschaft auswirkt, war Dreh- und Angelpunkt im folgenden Arbeitsrechtsfall, der schließlich  vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) ausgefochten wurde.

Ein als Wassermeister beschäftigter Arbeitnehmer sollte in jeder vierten Woche nach dem Ende der täglichen Arbeitszeit sowie am Wochenende Rufbereitschaft absolvieren, um damit die Trinkwasserversorgung zu gewährleisten. Er konnte sich währenddessen aufhalten, wo er wollte, musste aber bei Bedarf zur Arbeit kommen. Für diese tatsächlichen Einsatzzeiten erhielt er einen Freizeitausgleich. Da der Arbeitnehmer einem Schwerbehinderten gleichgestellt war, meinte er nun, keine Rufbereitschaft mehr leisten zu müssen. Die Bereitschaftszeit sei stets als Mehrarbeit einzuordnen und für ihn somit unzumutbar und unzulässig.

Das BAG sah jedoch keinen Anspruch auf eine vollständige Befreiung von der Rufbereitschaft. Allerdings verwiesen die Richter die Angelegenheit an das Landesarbeitsgericht als Vorinstanz zurück. Das muss jetzt noch prüfen, ob die Rufbereitschaft hier tatsächlich als Arbeitszeit gilt. Denn da es sich bei einer Rufbereitschaft nicht immer um Mehrarbeit handelt, können schwerbehinderte Arbeitnehmer diese auch nicht grundsätzlich ablehnen.

Hinweis: Es kommt also darauf an, ob es sich bei der Rufbereitschaft um Mehrarbeit handelt oder nicht. Liegt keine Mehrarbeit vor, können schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer die Rufbereitschaft natürlich  nicht grundsätzlich ablehnen.


Quelle: BAG, Urt. v. 27.07.2021 - 9 AZR 448/20
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 01/2022)

Ermittlung ortsüblicher Vergleichsmieten: Selbstfinanzierte Ausstattung der Mietsache muss dauerhaft unberücksichtigt bleiben

Die Regelungen für eine Mieterhöhung ergeben sich aus dem Gesetz. Und dennoch sind Gerichte mit Einzelfällen betraut, deren konkreten Sachverhalte nicht im entsprechenden Gesetzestext wiederzufinden sind. Genau dafür gibt es beispielsweise das Amtsgericht Hamburg (AG), das im Folgenden darüber zu befinden hatte, welche wertsteigernden Maßnahmen sich Vermieter auf die Fahnen schreiben dürfen und welche eben nicht.

Die Regelungen für eine Mieterhöhung ergeben sich aus dem Gesetz. Und dennoch sind Gerichte mit Einzelfällen betraut, deren konkreten Sachverhalte nicht im entsprechenden Gesetzestext wiederzufinden sind. Genau dafür gibt es beispielsweise das Amtsgericht Hamburg (AG), das im Folgenden darüber zu befinden hatte, welche wertsteigernden Maßnahmen sich Vermieter auf die Fahnen schreiben dürfen und welche eben nicht.

Eine Vermieterin verlangte eine Mieterhöhung für eine im Jahr 1918 erbaute Wohnung. Bei der Berechnung des Erhöhungsbetrags ging sie davon aus, dass die Wohnung mit einer Zentralheizung und einem Bad ausgestattet ist. Die Mieterin entgegnete jedoch, dass sie selbst die Zentralheizung damals eingebaut habe. Das müsse bei der Berechnung der Vergleichsmiete als Grundlage der Erhöhung entsprechende Berücksichtigung finden.

Das sah das AG ebenfalls so. Eine vom Mieter auf eigene Kosten geschaffene Ausstattung der Mietsache - wie hier die Heizung - bleibt bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete grundsätzlich auf Dauer unberücksichtigt.

Hinweis: Eine Mieterhöhung ist kein Buch mit sieben Siegeln. Im Zweifel kann ein Rechtsanwalt helfen und ein rechtssicheres Mieterhöhungsschreiben verfassen.


Quelle: AG Hamburg, Urt. v. 29.10.2021 - 49 C 119/21
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 01/2022)

Unerfahrene Reiterin: Auf eigenes Fehlverhalten zurückzuführender Schaden schließt Schmerzensgeldanspruch aus

Da Reiten ein nicht ganz ungefährlicher Sport ist, ist es umso wichtiger, dass bei der sehr körperlichen Zusammenarbeit von Mensch und Tier die Kommunikation stimmt. Denn kommt es zu einer Verletzung des Reiters oder einer dritten Person, steht mit der Haftungsfrage auch die Frage im Raum, ob die Tiergefahr oder ein Reitfehler dafür ausschlaggebend war. Im Folgenden war es am Oberlandesgericht Oldenburg (OLG), auf diese Frage eine Antwort zu finden.

Da Reiten ein nicht ganz ungefährlicher Sport ist, ist es umso wichtiger, dass bei der sehr körperlichen Zusammenarbeit von Mensch und Tier die Kommunikation stimmt. Denn kommt es zu einer Verletzung des Reiters oder einer dritten Person, steht mit der Haftungsfrage auch die Frage im Raum, ob die Tiergefahr oder ein Reitfehler dafür ausschlaggebend war. Im Folgenden war es am Oberlandesgericht Oldenburg (OLG), auf diese Frage eine Antwort zu finden.

Eine nicht sonderlich reiterfahrene Frau stieg auf den Rücken eines Pferds, das sichtlich nervös war. Die Reiterin rutschte schließlich mit dem Fuß aus dem Steigbügel und hatte deshalb absteigen müssen. Nach dem Wiederaufstieg aufs Pferd wechselte dieses vom Trab in den Galopp. Dabei fiel die Frau vom Pferd und prallte mit dem Kopf gegen einen Holzpfosten. Sie litt nach der Bewusstlosigkeit an einem Schädel-Hirn-Trauma und verlangte Schmerzensgeld von der Halterin des Pferds. Diese jedoch meinte, die Reiterin habe dem Tier durch ein Anpressen der Beine den Befehl zum Galopp gegeben. Insoweit habe das Tier lediglich gehorcht. Der Unfall beruhe daher nicht auf einer Tiergefahr, sondern auf einem Reitfehler. Eine Zeugin hatte ausgesagt, das Tier sei ganz normal und sanft in den Galopp übergegangen. Die gegnerische Tierhalterhaftpflichtversicherung hatte der Reiterin bereits freiwillig 2.000 EUR Schmerzensgeld gezahlt. Die Frau wollte jedoch mehr Geld - vergeblich.

Denn laut Beweisaufnahme durch das OLG war es auch möglich, dass die Reiterin tatsächlich aus Unsicherheit die Beine angepresst und damit dem Pferd den Befehl zum Galopp gegeben habe, ohne dies eigentlich zu wollen. Damit konnte nicht festgestellt werden, dass sich eine Tiergefahr verwirklicht hat. Das wäre jedoch für eine Zahlung von Schmerzensgeld erforderlich gewesen.

Hinweis: Es ist stets sinnvoll, die Gefahren, die von einem Tier ausgehen, zu versichern. Das gilt insbesondere bei Pferden und Hunden. Wenn es dann einmal zu einem Schaden kommt, steht eine Versicherung hinter dem Halter.


Quelle: OLG Oldenburg, Urt. v. 19.10.2021 - 2 U 106/21
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 01/2022)

Neues zu Flugverspätungen: Ist der Verspätungszeitraum strittig, ist die Beweisführung für Passagiere schwierig

Wenn ein Flug Verspätung hat, muss der Reiseveranstalter häufig Zahlungen leisten. Doch an der Frage, wer die Verspätung eigentlich beweisen muss, scheiden sich die Geister. Denn rein faktisch - und allein daran hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) gehalten - muss das der Passagier. Rein praktisch ist dies schwierig, doch lesen Sie selbst.

Wenn ein Flug Verspätung hat, muss der Reiseveranstalter häufig Zahlungen leisten. Doch an der Frage, wer die Verspätung eigentlich beweisen muss, scheiden sich die Geister. Denn rein faktisch - und allein daran hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) gehalten - muss das der Passagier. Rein praktisch ist dies schwierig, doch lesen Sie selbst.

Es ging um einen Flug von Bremen nach Teneriffa, wo das Flugzeug planmäßig um 15:25 Uhr landen sollte. Wegen eines technischen Defekts verzögerte sich der Abflug um circa drei Stunden, die genaue Ankunftszeit war zwischen den Parteien streitig. Der Fluggast behauptete, die Ankunft wäre erst um 18:35 Uhr gewesen, die Fluggesellschaft meinte, die Landung wäre eher erfolgt - also unterhalb der Dreistundengrenze. Nun klagte der Fluggast eine Entschädigungszahlung ein.

Die Beweislast für das Vorliegen einer großen Ankunftsverspätung trifft nun einmal den Fluggast. Ist unsicher, ob die Ankunftsverspätung mindestens drei Stunden betragen hat, ist das Luftfahrtunternehmen zwar verpflichtet, die ihm zur Verfügung stehenden Informationen mitzuteilen, die Rückschlüsse auf den maßgeblichen Zeitpunkt ermöglichen. Es ist aber laut BGH nicht dazu verpflichtet, im Bordbuch oder an anderer Stelle den Zeitpunkt zu dokumentieren, zu dem beispielsweise die erste Tür geöffnet und den Fluggästen der Ausstieg ermöglicht worden ist. Da der Fluggast hier also nicht beweisen konnte, dass sich der Flug um mehr als drei Stunden verspätet hatte, bekam er auch keine Entschädigungszahlung.

Hinweis: Hat ein Flug einmal eine Verspätung gehabt, kommt es darauf an, wie lang die Verspätung war. Am besten beauftragen Sie den Rechtsanwalt Ihres Vertrauens mit einer Prüfung der Angelegenheit.


Quelle: BGH, Urt. v. 09.09.2021 - X ZR 94/20
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 01/2022)

Trotz Gehbehinderung: Beklagter muss Abschleppkosten nach (mehrmaligem) Falschparken in der Tiefgarage zahlen

Sicherlich gibt es Fälle, in denen es geboten ist, als Gericht gegebene Lebensumstände näher zu betrachten, wenn körperliche Beeinträchtigungen eines Beklagten dafür sprechen, Milde walten zu lassen. Eine Behinderung jedoch als Freibrief zu nutzen, sein Fahrzeug trotz mehrmaligen Hinweises im Halteverbot abzustellen, lässt das Amtsgericht München (AG) nicht durchgehen.

Sicherlich gibt es Fälle, in denen es geboten ist, als Gericht gegebene Lebensumstände näher zu betrachten, wenn körperliche Beeinträchtigungen eines Beklagten dafür sprechen, Milde walten zu lassen. Eine Behinderung jedoch als Freibrief zu nutzen, sein Fahrzeug trotz mehrmaligen Hinweises im Halteverbot abzustellen, lässt das Amtsgericht München (AG) nicht durchgehen.

Der Sohn des 87-jährigen Beklagten hatte dessen Fahrzeug in der Tiefgarage einer Wohnanlage in einem Bereich abgestellt, der mit eingeschränktem Halteverbot beschildert war. Der Hausmeister der Anlage beauftragte daraufhin das klagende Abschleppunternehmen mit der Entfernung des Fahrzeugs, wofür das Unternehmen einen Tiefgaragenberger und einen Kranplateauschlepper schickte. Bei deren Eintreffen befand sich das Fahrzeug jedoch nicht mehr in der Tiefgarage. Der Beklagte trug vor, sein Sohn hätte das Fahrzeug maximal für 15 Minuten dort abgestellt, um ihn abzuholen. Der Hausmeister wiederum wisse, dass er nur kurze Strecken zu Fuß zurücklegen könne und wegen seiner Behinderung eine Begleitung benötige. Mit Anruf oder Klingeln hätte man die Störung schnell beseitigen können. Der Hausmeister gab als Zeuge jedoch an, dass das Fahrzeug an selbiger Stelle den Zugang zu anderen Garagenboxen oft für Stunden in (geschätzt) 50 Fällen blockiert habe. Er habe den Halter fast jedes Mal darauf angesprochen. Mit der Hausverwaltung sei daher abgestimmt worden, dass man den Wagen beim nächsten Mal abschleppen lasse. Natürlich sei das Parken dort praktisch, da diese Stelle unmittelbar neben dem Zugang zum Aufzug liege - seine genau dort befindliche Garagenbox habe der Beklagte allerdings anderweitig vermietet. Zudem gebe es einen für längeres Halten vorgesehenen Platz in nur 15 Metern Entfernung. Der Sohn erklärte in seiner Zeugenaussage, maximal fünfmal angesprochen worden zu sein. Andere Hausbewohner dürften dort unbeanstandet be- und entladen. Der Hausmeister hege wohl einen Grundhass gegen ihn.

Das AG gab nach Anhörung aller Argumente schließlich der Klägerin Recht und verurteilte den Beklagten zur Zahlung der Abschleppkosten. Das Gericht war davon überzeugt, dass das Fahrzeug dort über einen längeren Zeitraum geparkt habe, ohne dass ein konkretes Ein- oder Aussteigen oder ein Be- bzw. Entladevorgang vorlag. Auch habe der Sohn des Beklagten zugegeben, dass er das Parkverbotsschild kannte und bereits in früherer Zeit mehrfach seitens des Hausmeisters der Anlage darauf hingewiesen worden war, dass an dieser Stelle ein Parkverbot bestehe und bei Zuwiderhandlung ein Abschleppen drohe.

Hinweis: Zutreffend weist das AG darauf hin, dass vor Beauftragung des Abschleppunternehmens eine Recherche dahingehend nicht erforderlich sei, welches Abschleppunternehmen das Abschleppen am kostengünstigsten durchführt. Etwas anderes gilt in Fällen von vorhandenen Rahmenverträgen zwischen Grundstücksbesitzern und Abschleppunternehmen.


Quelle: AG München, Urt. v. 31.08.2021 - 473 C 2216/21
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 01/2022)

Mülltonnen auf Radweg: Rechtzeitig erkennbare Gefahren stellen keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar

Radler und unerwartete Hindernisse beschäftigen mit steigendem Verkehrsaufkommen auf zwei Rädern auch zunehmend die Gerichte. Im Folgenden wurde das Landgericht Frankenthal (LG) mit der Frage befasst, wie es zu einem Unfall kommen konnte, wo die ursächlichen Hindernisse doch rechtzeitig zu erkennen waren.

Radler und unerwartete Hindernisse beschäftigen mit steigendem Verkehrsaufkommen auf zwei Rädern auch zunehmend die Gerichte. Im Folgenden wurde das Landgericht Frankenthal (LG) mit der Frage befasst, wie es zu einem Unfall kommen konnte, wo die ursächlichen Hindernisse doch rechtzeitig zu erkennen waren.

Ein Mann war auf seinem Rad auf einem Radweg unterwegs, als er eben dort zwei Mülltonnen erblickte. Sein Versuch, diesen mit knappem Abstand auszuweichen, misslang - er fuhr gegen eine der Mülltonnen, stürzte und verletzte sich daraufhin schwer. Von dem zuständigen Abfallentsorgungsunternehmen verlangte er daraufhin Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Die Antwort auf die Frage, wie es zu dem Unfall habe kommen können, lag für das LG nahe: Die Klage hatte wegen ganz überwiegenden Mitverschuldens des Radfahrers keinen Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts kann das Abstellen von Mülltonnen auf einem Radweg selbstverständlich durchaus eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellen. Denn die Tonnen seien ein "ruhendes Hindernis", durch das der Verkehrsfluss erheblich beeinträchtigt werde. Wenn aber das ruhende Hindernis schon von Weitem erkennbar ist, muss der Radfahrer diesem mit einem ausreichenden Seitenabstand ausweichen. Hält er diesen Abstand nicht ein und stürzt, ist der Sturz nicht auf die in dem Hindernis liegende Gefahr, sondern ganz überwiegend auf seine eigene grob fahrlässige Fahrweise zurückzuführen. Auch hier habe der Radfahrer den Mülltonnen weiträumig ausweichen können, sich jedoch bewusst dazu entschieden, an diesen so knapp vorbeizufahren, dass es erst zu dem Sturz habe kommen können.

Hinweis: Verkehrssicherungspflichten dienen nur der Beseitigung von Gefahren, die für einen sorgfältigen Benutzer nicht rechtzeitig erkennbar sind. Erkennbare Gefahren, vor denen man sich ohne weiteres selbst schützen kann, lösen keine Verkehrssicherungspflicht aus. Die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen kann wegen Mitverschuldens ausgeschlossen sein, wenn das Handeln des Geschädigten von ganz besonderer, schlechthin unverständlicher Sorglosigkeit gekennzeichnet ist.


Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 24.09.2021 - 4 O 25/21
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 01/2022)

Kosten eines Erbscheins: Nachlassgerichte dürfen grundsätzlich auf Grundbucheintragungen abstellen

Die Kosten für die Erteilung eines Erbscheins können insbesondere bei hohen Vermögenswerten sowohl für die Erben als auch für die erfolglosen Antragsteller eines Erbscheinsverfahrens von großer Bedeutung sein. Gehört wie im Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) ein Grundstück zum Nachlass, ist dieses bei der Bemessung des Nachlasswerts grundsätzlich zu berücksichtigen.

Die Kosten für die Erteilung eines Erbscheins können insbesondere bei hohen Vermögenswerten sowohl für die Erben als auch für die erfolglosen Antragsteller eines Erbscheinsverfahrens von großer Bedeutung sein. Gehört wie im Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) ein Grundstück zum Nachlass, ist dieses bei der Bemessung des Nachlasswerts grundsätzlich zu berücksichtigen.

Die Besonderheit des Falls lag darin, dass sich der erfolglose Antragsteller im Erbscheinsverfahren darauf berief, dass die im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsanteile an der Immobilie falsch waren, weshalb von einem geringeren Geschäftswert ausgegangen werden müsse.

Das OLG hat klargestellt, dass das Nachlassgericht im Grundsatz immer auf die Eintragungen im Grundbuch abstellen dürfe. Abweichungen hiervon seien aber dann zulässig, wenn die abweichenden Eigentumsverhältnisse zwischen allen Beteiligten unstreitig sind oder sich zweifelsfrei aus öffentlichen Urkunden ergeben. In allen anderen Fällen sei es nicht Aufgabe des Nachlassgerichts, eine streitige materielle Eigentumslage im Wertfestsetzungsverfahren selbst zu klären. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn das Grundbuchamt von Amts wegen einen Widerspruch im Grundbuch eingetragen hat. Das Nachlassgericht darf einen solchen Amtswiderspruch nicht einfach übergehen, es kann in einem solchen Fall die Wertfestsetzung bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit des Widerspruchs aufschieben. Unbenommen bleibt dem Nachlassgericht, die Eigentumslage anhand einer summarischen Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu prüfen.

Hinweis: Ist die abweichende Eigentumslage bereits Gegenstand eines anderen gerichtlichen Verfahrens, wird das Verfahren zur Festsetzung des Verfahrenswerts im Allgemeinen ausgesetzt.


Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.2021 - 3 Wx 173/21
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 01/2022)

Schwellenwert unterschritten: Automatische Auflösung der Schwerbehindertenvertretung

Sobald ein Betrieb fünf Mitarbeiter mit schweren Behinderungen beschäftigt, können diese eine Schwerbehindertenvertretung verlangen. Was jedoch mit eben jener Vertretung geschieht, sobald einer dieser Angestellten aus dem Unternehmen ausscheidet, musste im Folgenden das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) beantworten.

Sobald ein Betrieb fünf Mitarbeiter mit schweren Behinderungen beschäftigt, können diese eine Schwerbehindertenvertretung verlangen. Was jedoch mit eben jener Vertretung geschieht, sobald einer dieser Angestellten aus dem Unternehmen ausscheidet, musste im Folgenden das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) beantworten.

In einem Betrieb waren fünf schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Mitarbeiter beschäftigt. Deshalb wurde eine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Sieben Monate später waren jedoch nur noch vier schwerbehinderte Arbeitnehmer beschäftigt. Der Arbeitgeber war nun der Meinung, die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung sei durch das Unterschreiten des Schwellenwerts von fünf Arbeitnehmern beendet. Die Schwerbehindertenvertretung vertrat hingegen die Ansicht, dass sie ihre Amtszeit von vier Jahren voll ausschöpfen dürfe, und zog vor das Gericht.

Doch hier konnte das LAG der Schwerbehindertenvertretung leider nicht weiterhelfen. Denn das entsprechende Gesetz kenne hier schlicht und ergreifend keinen Übergangszeitraum. Mit Unterschreitung des Schwellenwerts nach § 177 Abs. 1 SGB IX endete daher die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung. Das Gesetz regelt nicht, dass es bei der Feststellung der Anzahl der schwerbehinderten Beschäftigten ausschließlich auf den Zeitpunkt der Wahl ankommt.

Hinweis: Die Schwerbehindertenvertretungen sollten also aufpassen, dass ihre Amtszeit nicht durch ein Absinken der entsprechend Beschäftigten unterhalb des Schwellenwerts plötzlich endet. Helfen kann dabei, dass sämtliche schwerbehinderte Mitarbeiter ihre Schwerbehinderung auch tatsächlich gegenüber dem Arbeitgeber offenbaren.


Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 31.08.2021 - 4 TaBV 19/21
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 01/2022)