Neuigkeiten zu rechtlichen Themen

Weisungsrecht des Arbeitgebers: Bei der Bestimmung von Arbeitsbekleidung bleibt der Betriebsrat außen vor

Wann Arbeitgeber Bitten um Aufstockung der Arbeitszeit von Teilzeitkräften zu beachten haben, zeigt dieser Fall des Arbeitsgerichts Mannheim (ArbG). Dabei geht es einmal mehr um ein Anrecht, das in der Praxis viel zu oft scheitert, weil eine geäußerte Bitte zu oft mit einem konkreten Angebot verwechselt wird. Und dass beides auch im Arbeitsrecht eben nicht gleichzusetzen ist, zeigt auch das entsprechend getroffene Urteil.

Wann Arbeitgeber Bitten um Aufstockung der Arbeitszeit von Teilzeitkräften zu beachten haben, zeigt dieser Fall des Arbeitsgerichts Mannheim (ArbG). Dabei geht es einmal mehr um ein Anrecht, das in der Praxis viel zu oft scheitert, weil eine geäußerte Bitte zu oft mit einem konkreten Angebot verwechselt wird. Und dass beides auch im Arbeitsrecht eben nicht gleichzusetzen ist, zeigt auch das entsprechend getroffene Urteil.

In einem Einzelhandelsunternehmen gab es verschiedene Teilzeitmodelle. Sechs der Teilzeitverkäuferinnen beantragten beim Arbeitgeber eine Erhöhung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit. Das Aufstockungsvolumen sollte bei einer Mitarbeiterin 15 Stunden pro Woche betragen, bei vier Mitarbeiterinnen jeweils zehn Stunden und bei einer Mitarbeiterin fünf Stunden. Statt auch nur einem dieser Wünsche nachzukommen, wollte der Arbeitgeber befristet für ein Jahr eine neue Verkäuferin mit 20 Wochenstunden einstellen. Das rief schließlich den Betriebsrat auf den Plan, der seine Zustimmung zur geplanten Einstellung verweigerte und meinte, der Arbeitgeber hätte zunächst die gewünschten Arbeitszeiterhöhungen vornehmen müssen, bevor er eine neue Teilzeitstelle schafft. Der Arbeitgeber beantragte die Ersetzung der Zustimmung durch das ArbG - und kam damit durch.

Die Einstellung war zulässig, und die Zustimmung des Betriebsrats wurde durch das ArbG ersetzt. Denn bei den Wünschen der Teilzeitmitarbeiterinnen handelte es sich nicht um ein konkretes Vertragsangebot. Es hätte mindestens eine der Mitarbeiterinnen anbieten müssen, auf die neue Stelle zu wechseln oder diese zusätzlich zu ihrem bisherigen Arbeitszeitvolumen zu übernehmen. Weil jedoch keine Mitarbeiterin ein solches Angebot unterbreitet hatte, bestand für den Betriebsrat kein Grund, die Zustimmung zur Neueinstellung zu verweigern.

Hinweis: Wenn eine Teilzeitkraft ihre Arbeitszeit aufstocken möchte, muss der Arbeitgeber den Wunsch mit ihr erörtern, sie über entsprechende freie Arbeitsplätze informieren und bei deren Besetzung bevorzugt berücksichtigen. So steht es in den §§ 7 und 9 Teilzeit- und Befristungsgesetz.
 
 


Quelle: ArbG Mannheim, Beschl. v. 28.06.2023 - 2 BV 2/23
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich: Irrtum über die Werthaltigkeit eines Nachlasses kann zur Anfechtung der Erbschaftsannahme führen

Hat ein Testamentsvollstrecker auch einen Anspruch auf seine Vergütung, obwohl er durch das Nachlassgericht aus dem Amt entfernt wurde? Diese Frage musste das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) beantworten.

Hat ein Testamentsvollstrecker auch einen Anspruch auf seine Vergütung, obwohl er durch das Nachlassgericht aus dem Amt entfernt wurde? Diese Frage musste das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) beantworten.

Der aufgrund einer testamentarischen Verfügung der Erblasserin eingesetzte Testamentsvollstrecker wurde vom Nachlassgericht aus seinem Amt entfernt, da zum Zeitpunkt der Entscheidung die Befürchtung bestand, dass er seine persönlichen Interessen über die der Erblasserin gestellt hatte. Nach der Übergabe des Amts an den neuen Testamentsvollstrecker machte er Vergütungsansprüche für seine bisherige Tätigkeit gegenüber dem Nachlassgericht geltend.

Das OLG kam ebenso wie das Landgericht zuvor zu dem Ergebnis, dass nicht jede Verfehlung eines Testamentsvollstreckers auch die Verwirkung seiner Vergütungsansprüche zur Folge hat. Insbesondere sei für eine Beurteilung der Verwirkung auf den Zeitpunkt des Rechtsstreits über die Vergütung und nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das Nachlassgericht abzustellen. Die Befürchtungen, der Testamentsvollstrecker hätte nicht im Interesse der Erblasserin gehandelt, konnten später nicht bestätigt werden.

Hinweis: Ein Anspruch auf eine Vergütung kann verwirkt werden, wenn der Testamentsvollstrecker in besonders grober Weise gegen seine Pflichten verstoßen hat. Eine nur zögerliche Bearbeitung von Auskünften, die man dem Testamentsvollstrecker hier vorwerfen konnte, reicht hierfür nicht aus.


Quelle: Saarländisches OLG, Urt. v. 26.07.2023 - 5 U 98/22
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Zustimmung des Betriebsrats ersetzt: Über Teilzeitverkäuferinnen, Wunsch nach Mehrarbeit und Neueinstellung auf 20-Stunden-Basis

In diesem Fall, der bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ging, war das böse Ende seines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer fast absehbar, da dieser schon des Öfteren seinen Lohn zu spät erhielt. Wie es dann für die Ansprüche von Arbeitnehmern gegen die Geschäftsführer persönlich aussieht, wenn das unternehmerische Kind durch Insolvenz endgültig in den Brunnen gefallen ist, lesen Sie hier.

In diesem Fall, der bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ging, war das böse Ende seines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer fast absehbar, da dieser schon des Öfteren seinen Lohn zu spät erhielt. Wie es dann für die Ansprüche von Arbeitnehmern gegen die Geschäftsführer persönlich aussieht, wenn das unternehmerische Kind durch Insolvenz endgültig in den Brunnen gefallen ist, lesen Sie hier.

Ein Arbeitnehmer erhielt - teilweise monatelang - verspätet sein Geld. Deshalb machte er in einem Monat von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch. Er arbeitete nicht, wollte aber trotzdem die Bezahlung von insgesamt 176 Stunden erhalten. Der Arbeitgeber - eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) - zahlte jedoch nicht, sondern meldete einige Monate später Insolvenz an. Nun klagte der Arbeitnehmer gegen die Geschäftsführer. Er wollte für den Monat Juni Geld in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns je Stunde erhalten. Er meinte, dass die Geschäftsführer dafür persönlich haften würden. Denn immerhin sei ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz (MiLoG) eine Ordnungswidrigkeit.

Das sah das BAG anders. Geschäftsführer einer GmbH haften nicht gegenüber den Arbeitnehmern auf Schadensersatz. Denn für eine solche Haftung ist ein sogenanntes Schutzgesetz erforderlich. Das sah das Gericht allerdings im MiLoG im Verhältnis zu den Geschäftsführern der Gesellschaft nicht. Nach der gesetzlichen Wertung ist die Haftung von Geschäftsführern einer GmbH grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt. Außenstehenden Dritten gegenüber haften sie grundsätzlich nicht persönlich.

Hinweis: Für Geschäftsführer ist die Entscheidung des BAG wichtig. Sie haften gerade nicht persönlich gegenüber Arbeitnehmern für unterbliebene Zahlungen des Mindestlohns.


Quelle: BAG, Urt. v. 30.03.2023 - 8 AZR 120/22
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

3.000 EUR Entschädigung: Folgen der Fremdunterbringung dürfen nicht gravierender sein als der Verbleib bei einem Elternteil

Nimmt man einen Scheidungsantrag zurück, womit man das Verfahren beendet (weil der andere Ehegatte selbst keinen Antrag gestellt hatte), und stellt kurz darauf erneut einen Scheidungsantrag, entstehen sowohl bei Gericht als auch beim Rechtsanwalt doppelte Kosten. Wer dabei auf staatliche Verfahrenskostenhilfe (VKH) angewiesen ist, muss gute Gründe haben. Und diese hatte die Frau im Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) nicht, als sie den Scheidungsantrag im März zurücknahm und im Mai neu beantragte.

Nimmt man einen Scheidungsantrag zurück, womit man das Verfahren beendet (weil der andere Ehegatte selbst keinen Antrag gestellt hatte), und stellt kurz darauf erneut einen Scheidungsantrag, entstehen sowohl bei Gericht als auch beim Rechtsanwalt doppelte Kosten. Wer dabei auf staatliche Verfahrenskostenhilfe (VKH) angewiesen ist, muss gute Gründe haben. Und diese hatte die Frau im Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) nicht, als sie den Scheidungsantrag im März zurücknahm und im Mai neu beantragte.

Für das erste Verfahren hatte die Frau noch VKH bewilligt bekommen, so dass sie sich für das zweite Verfahren selbiges erhoffte. Dabei machte sie weder eine zwischenzeitliche Versöhnung geltend noch andere gute Gründe für den doppelten Aufwand. Sie hatte ihren Anwalt schriftlich zur Rücknahme des Antrags angewiesen und erst im zweiten Verfahren offengelegt, was ihr Motiv gewesen war: Das Verfahren habe ihr zu lang gedauert, weil ihr Mann trotz Zwangsgeld keine Angaben zum Versorgungsausgleich machte. Dass der Start eines neuen Verfahrens dagegen keine Abhilfe schuf, sei ihr nicht klar gewesen.

Das Amtsgericht wollte ihr daraufhin gar keine VKH bewilligen, weil sie mutwillig Kosten verursacht hatte. Das OLG modifizierte dies zugunsten der Scheidungswilligen und hat die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen: Lediglich auf die erneute Erstattung der Gebühren, die im ersten Verfahren bereits angefallen waren, muss die Frau verzichten. Denn selbst bei Mutwilligkeit darf die VKH nicht vollständig verweigert werden. Sie müsse dann - lediglich mit Ausnahme der bereits entstandenen und aus der Staatskasse verauslagten Rechtsanwaltsgebühren sowie der bereits entstandenen allgemeinen Verfahrensgebühr des Gerichts - der bedürftigen Antragstellerin bewilligt werden.

Hinweis: Es kann taktische Gründe geben, ein bereits laufendes Scheidungsverfahren durch Antragsrücknahme zu beenden und ein neues Verfahren einzuleiten - solange der Gegner keinen eigenen Scheidungsantrag stellt. Eine solche Rücknahme (gepaart mit neuem Antrag) hat in der Regel mit dem güterrechtlichen Endstichtag zu tun, weil der andere zum Beispiel zwischenzeitlich einen Lottogewinn gemacht hat. Falls sich abzeichnet, dass die Ehe demnächst durch Tod endet, kann auch das ein wirtschaftliches Argument sein (Witwenversorgung, Erbrecht). Aber auch eine Rücknahme, durch die sich die örtliche Zuständigkeit ändert, kann erwünscht sein.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 19.07.2023 - 6 WF 86/23
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Kein Elterngrundrecht für Pflegeeltern: Berechtigter Wechsel der Pflegestelle zum Zweck der besseren Förderung des Kindes

Im Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) ging es um einen Sechsjährigen, der Opfer des Trennungsstreits seiner Eltern wurde. Der Vater bezichtigte die Mutter der Kindesmisshandlung, das Jugendamt brachte den Jungen ins Heim, von wo aus er vier Monate später zurück zur Mutter kam und später durch Entscheidung des Familiengerichts zum Vater wechselte. Hatte das Jugendamt ein Kind zu Unrecht aus dem Haushalt seiner Eltern in Obhut genommen, und kann dem Kind Schmerzensgeld zugesprochen werden? Lesen Sie selbst.

Im Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) ging es um einen Sechsjährigen, der Opfer des Trennungsstreits seiner Eltern wurde. Der Vater bezichtigte die Mutter der Kindesmisshandlung, das Jugendamt brachte den Jungen ins Heim, von wo aus er vier Monate später zurück zur Mutter kam und später durch Entscheidung des Familiengerichts zum Vater wechselte. Hatte das Jugendamt ein Kind zu Unrecht aus dem Haushalt seiner Eltern in Obhut genommen, und kann dem Kind Schmerzensgeld zugesprochen werden? Lesen Sie selbst.

Das OLG stellte zunächst fest, dass das Jugendamt erst einmal korrekt auf die Informationen durch den Vater reagiert habe, die dieser durch ein ärztliches Attest belegen konnte. Die anfängliche Inobhutnahme habe keine schuldhafte Amtspflichtverletzung dargestellt, sondern diente der Klärung und Beruhigung der Situation. Insbesondere sei nicht feststellbar, dass das Jugendamt den Sachverhalt unzureichend ermittelt oder durch eine fehlerhafte Antragstellung die gerichtliche Entscheidung maßgeblich beeinflusst habe. Obwohl es bis hierhin nichts zu beanstanden gab, kommt hier das große und entscheidende "Aber!": Das Jugendamt hätte den Jungen nicht so lange im Heim belassen dürfen.

Kindern, die in einen hochkonflikthaften Streit zwischen den Elternteilen hineingezogen werden, sei nicht damit gedient, dass sie außerhalb der Familie untergebracht würden. Die ursprüngliche Herausnahme aus der Familie wäre lediglich als kurzfristige Maßnahme veranlasst gewesen, in deren Verlauf eine Beruhigung eintreten sollte. Eine monatelange Trennung von beiden Eltern habe das Kind dagegen nicht als Entlastung von dem elterlichen Konflikt erleben können, sondern als ungerechtfertigte Folge dessen, dass er sich beim Vater über die Schläge seiner Mutter beschwert habe. Der Gefahr befürchteter Misshandlungen durch die Mutter hätte alternativ dadurch begegnet werden können, dass das Kind bis zur endgültigen Entscheidung über das Sorgerecht bei seinem Vater lebt und dort mit sozialpädagogischer Familienhilfe begleitet wird. Dem Kind wurde daher wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Entschädigung von 3.000 EUR zugesprochen. Zudem muss der Jugendamtsträger für künftige Schäden einstehen.

Hinweis: Die Fremdunterbringung eines Kindes aus Anlass eines tiefgreifenden Elternkonflikts ist nur dann gerechtfertigt, wenn der permanente Elternkonflikt das Kindeswohl in hohem Maße und mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet, während das Kind bei einem der beiden Elternteile wohnt. Zu berücksichtigen ist dabei stets der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Die Folgen der Fremdunterbringung dürfen für das Kind nicht gravierender sein als die Folgen eines Verbleibs bei einem Elternteil.
 
 
 


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 27.07.2023 - 1 U 6/21
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Rücknahme des Scheidungsantrags: Bei Mutwilligkeit kann Verfahrenskostenhilfe nur noch einschränkend bewilligt werden

Das Bundesjustizministerium hat im August 2023 ein Eckpunktepapier zur Reform des Unterhaltsrechts vorgelegt. Reformbedarf besteht, weil die bisherige "Düsseldorfer Tabelle" als Normalfall vor Augen hat, dass nach einer Trennung ein Elternteil den Lebensmittelpunkt für die Kinder bietet (bisher klassisch: die Mutter) und der andere nur ein Umgangsrecht ausübt (bisher klassich: der Vater). In den letzten Jahren mehrten sich aber die Fälle, in denen auch nach der Trennung beide Elternteile die Alltagsbetreuung ausüben - sogar bis hin zu einer hälftigen Teilung. Da die Lösungen der Rechtsprechung in diesem sogenannten "asymmetrischen Wechselmodell" uneinheitlich und oft ungerecht sind, will die Politik mit der Reform eine partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder fördern und die Betreuungsleistungen beider Eltern angemessen berücksichtigen. Das nun vorliegende Eckpunktepapier soll ein Anfang der Debatte sein.

Das Bundesjustizministerium hat im August 2023 ein Eckpunktepapier zur Reform des Unterhaltsrechts vorgelegt. Reformbedarf besteht, weil die bisherige "Düsseldorfer Tabelle" als Normalfall vor Augen hat, dass nach einer Trennung ein Elternteil den Lebensmittelpunkt für die Kinder bietet (bisher klassisch: die Mutter) und der andere nur ein Umgangsrecht ausübt (bisher klassich: der Vater). In den letzten Jahren mehrten sich aber die Fälle, in denen auch nach der Trennung beide Elternteile die Alltagsbetreuung ausüben - sogar bis hin zu einer hälftigen Teilung. Da die Lösungen der Rechtsprechung in diesem sogenannten "asymmetrischen Wechselmodell" uneinheitlich und oft ungerecht sind, will die Politik mit der Reform eine partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder fördern und die Betreuungsleistungen beider Eltern angemessen berücksichtigen. Das nun vorliegende Eckpunktepapier soll ein Anfang der Debatte sein.

Mit einem pauschalierenden objektiven Ansatz (Anzahl der Übernachtungen des Kindes beim jeweiligen Elternteil pro Jahr) soll der jeweilige Betreuungsbeitrag berücksichtigt werden. Die vorgeschlagene Berechnungsmethode umfasst mehrere Schritte:

  • Zunächst wird der Bedarf des Kindes ermittelt. Dabei kommt es auf die Einkommensverhältnisse beider Eltern an: Je mehr die Eltern eines Kindes zusammen verdienen, desto höher ist auch der Unterhaltsbedarf des Kindes.
  • In einem nächsten Schritt wird ein pauschaler Abschlag vom Unterhaltsbedarf des Kindes vorgenommen. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der mitbetreuende Elternteil in der Mitbetreuungszeit einen Teil des Unterhaltsbedarfs abdeckt.
  • Dann wird die relative finanzielle Situation der Eltern betrachtet: Es wird berechnet, inwieweit der mitbetreuende Elternteil für den Unterhaltsbedarf des Kindes verantwortlich wäre, wenn man die Unterhaltslasten allein mit Blick auf die relative Einkommenssituation der Eltern verteilen würde.
  • Der im vorigen Schritt ermittelte Wert wird nun angepasst und trägt der Tatsache Rechnung, dass der mitbetreuende Elternteil im asymmetrischen Wechselmodell substantielle Betreuungsleistungen erbringt. Dabei kommt erneut ein pauschalierender (verallgemeinernder) Ansatz zum Tragen. Streit über die exakte Höhe der Betreuungsanteile wird so vermieden.
  • Abschließend wird das Kindergeld zwischen den Eltern verrechnet. Das Rechenmodell stellt sicher: Je mehr der mitbetreuende Elternteil im Verhältnis zum hauptbetreuenden Elternteil verdient, desto mehr Unterhalt muss er zahlen. Doch Elternteile, die substantielle Mitbetreuung leisten, müssen im Regelfall weniger zahlen als solche, die nur Freizeitumgang pflegen.

Die vorgeschlagene Reform würde einen Anreiz für Väter setzen, sich mehr in der Betreuung von Kindern zu engagieren. Ein solches stärkeres Engagement von Vätern kann auch für Mütter vorteilhaft sein: Sie sparen dadurch eigene Aufwendungen und haben unter Umständen mehr Freiraum für eigene Erwerbstätigkeit. Als unangenehmer Nebeneffekt wird allerdings erwartet, dass mit jeder weiteren Übernachtung beim Vater Streitigkeiten über die finanziellen Auswirkungen für beide Seiten folgen könnten.

Der neue Gesetzesvorschlag soll ab einem 29%igen Mitbetreuungsanteil greifen. Ab dieser Schwelle (und bis zu einer Betreuungsleistung von knapp unter 50 %) soll von einer Betreuung im asymmetrischen Wechselmodell ausgegangen werden.

Für die anderen Betreuungskonstellationen (Residenz- und Wechselmodell) soll sich an der Verteilung der Unterhaltslasten nichts ändern. Für das symmetrische Wechselmodell wird allerdings eine neue Vertretungsregel vorgeschlagen: Jeder Elternteil soll das Kind im Verfahren vertreten können. Das bisher erforderliche vorgeschaltete Sorgerechtsverfahren würde dann nicht mehr erforderlich sein.


Quelle: www.bmj.de
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Vier Jahre lang: Bei verschwiegener Einkommenserhöhung drohen Widerruf von Verfahrenskostenhilfe und Strafsanktionen

Wenn ein Pflegekind aus der bestehenden Bindung zur Pflegefamilie herausgerissen wird, stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten die ehemaligen Pflegeeltern haben, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Das Ehepaar im folgenden Fall wusste sich nicht mehr weiterzuhelfen, als beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Verfassungsbeschwerde einzureichen.

Wenn ein Pflegekind aus der bestehenden Bindung zur Pflegefamilie herausgerissen wird, stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten die ehemaligen Pflegeeltern haben, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Das Ehepaar im folgenden Fall wusste sich nicht mehr weiterzuhelfen, als beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Verfassungsbeschwerde einzureichen.

Für mehr als vier Jahre waren Eheleute die Dauerpflegeeltern des Kindes gewesen, nachdem dieses im Alter von sechs Monaten zu ihnen gekommen war. Bei dem Kind zeigten sich Entwicklungsverzögerungen, die auf einen Drogenkonsum seiner leiblichen Mutter während der Schwangerschaft zurückzuführen waren. Sowohl im Kindergarten, wo dem Kind eine 1:1-Betreuung zur Seite gestellt worden war, als auch mit den Pflegeeltern gab es zunehmend Konflikte. Die Vormundin des Kindes und das Jugendamt befürchteten eine Überforderung der Pflegeeltern und brachten das Kind daher bei anderen Pflegeeltern unter, die aufgrund ihrer jeweiligen beruflichen Tätigkeit mit den Störungsbildern solcher Kinder gut vertraut sind. Die Pflegeeltern wehrten sich hiergegen vor den Familiengerichten - letztlich erfolglos. Denn die Gerichte wogen den Bindungsabbruch gegen die fehlende Qualifikation miteinder ab.

Weil diese Abwägungen nachvollziehbar und begründet waren, konnte auch das BVerfG nicht helfen. Auf das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz können sich Pflegeeltern hierbei nämlich nicht stützen. Das BVerfG hat die Beschwerde daher nicht zur Entscheidung angenommen.

Hinweis: Bei einem Wechsel von einer Pflegefamilie in eine andere kommt es maßgeblich auf das Wohl des Kindes an, nicht auf die Interessen seiner vormaligen Pflegeeltern an ihrer gewachsenen Bindung zum Kind. Dem ließe sich nur durch eine frühzeitige Adoption abhelfen.


Quelle: BVerfG, Urt. v. 28.08.2023 - 1 BvR 1088/23
zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 10/2023)

Gekündigter Gewerberaummietvertrag: Kein Zurückbehaltungsrecht bei fehlender Rechnung für Gewerberäume

Für Gewerbetreibende ist die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten. Sie wird eingenommen und an das Finanzamt abgeführt. Wer als Gewerbetreibender etwas kauft, erhält die Umsatzsteuer vom Finanzamt erstattet. Voraussetzung für Letzteres: das Vorliegen einer Rechnung. Wie verhält es sich aber hinsichtlich dieser Regelung im Mietrecht? Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) musste hierauf eine Antwort finden.

Für Gewerbetreibende ist die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten. Sie wird eingenommen und an das Finanzamt abgeführt. Wer als Gewerbetreibender etwas kauft, erhält die Umsatzsteuer vom Finanzamt erstattet. Voraussetzung für Letzteres: das Vorliegen einer Rechnung. Wie verhält es sich aber hinsichtlich dieser Regelung im Mietrecht? Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) musste hierauf eine Antwort finden.

Ein Mann mietete Gewerberäume mit einer festen Laufzeit von zwei Jahren. Im Mietvertrag vereinbarten die Parteien eine monatlich im Voraus zu zahlende Nettokaltmiete von 1.650 EUR zuzüglich der jeweils geltenden gesetzlichen Mehrwertsteuer. In dem Gewerberaummietvertrag war die Steuernummer der Vermieterin angegeben. Trotzdem zahlte der Mann die Miete nicht. Kurze Zeit später kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs von mehr als zwei Monatsmieten und erhob schließlich eine Klage auf Zahlung rückständiger Mieten über fast 43.000 EUR. Der Mieter berief sich auf ein angebliches Zurückbehaltungsrecht. Er war der Ansicht, die vorgelegte Dauerrechnung genüge nicht den Anforderungen des § 14 Umsatzsteuergesetz (UStG), enthalte insbesondere nicht alle erforderlichen Angaben, etwa diejenige der Rechnungsnummer. Sein Zurückbehaltungsrecht habe er durch schlichte Nichtzahlung ausgeübt. Dazu sei er bis zur Vorlage einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Rechnung berechtigt gewesen.

Mit dieser Argumentation kam er vor dem OLG jedoch nicht durch. Die Rechnungslegung nach dem UStG ist nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich keine Fälligkeitsvoraussetzung. Das bloße Schweigen auf die Leistungsaufforderung und die Verweigerung der Leistung ohne gleichzeitige Geltendmachung des Gegenanspruchs stellten zudem noch keine Ausübung des Zurückbehaltungsrechts dar.

Hinweis: Der Vermieter muss dem Mieter also tatsächlich eine Rechnung im Gewerbesteuermietrecht erteilen. Wird diese nicht erteilt, führt das aber nicht dazu, dass der Mieter einfach nicht zahlen muss.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Urt. v. 14.03.2023 - 3 U 16/22
zum Thema: Mietrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)

Ablehnung der Einstandspflicht: Selbstbelastung gegenüber Versicherung unterliegt der Mitwirkungspflicht

Im Strafverfahren muss niemand belastende Aussagen gegen sich selbst tätigen. Wie das im Verhältnis zum eigenen Versicherer aussieht, musste das Landgericht Osnabrück (LG) klären. Dabei ging es immerhin um die nicht unerhebliche Schadenshöhe von rund 640.000 EUR.

Im Strafverfahren muss niemand belastende Aussagen gegen sich selbst tätigen. Wie das im Verhältnis zum eigenen Versicherer aussieht, musste das Landgericht Osnabrück (LG) klären. Dabei ging es immerhin um die nicht unerhebliche Schadenshöhe von rund 640.000 EUR.

Anfang 2018 wurde die Inneneinrichtung eines Restaurants in Osnabrück durch ein Feuer erheblich beschädigt. Die Versicherungsnehmerin hatte den Vorfall unmittelbar der Versicherung angezeigt, und diese versandte wenige Wochen später einen Katalog mit 20 Fragen zur weiteren Bearbeitung des Vorgangs. Die Betreiberin des Restaurants beauftragte Unternehmen mit der Regulierung des Schadensfalls und ließ sich durch mehrere Rechtsanwälte vertreten. Erst mehr als sechs Monate später beantwortete einer der Rechtsanwälte die Fragen des Versicherers. Da die Fragen teilweise nicht bzw. nur unvollständig beantwortet worden waren, setzte die Versicherung eine Frist zur ergänzenden Beantwortung. Sie wies auf die Regelung zu § 28 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz hin, wonach eine Leistungskürzung oder eine Ablehnung der Einstandspflicht möglich sei, wenn der Versicherungsnehmer seiner Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Schadensfalls nicht nachkomme. Eine weitergehende Beantwortung erfolgte dennoch nicht. Rund fünf Monate später erklärte der Versicherer, dass er die Deckung des Schadens ablehne, da die Versicherungsnehmerin ihrer Aufklärungs- und Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen sei. Daraufhin klagte die Versicherungsnehmerin gegen die Versicherung - mit wenig Erfolg.

Das LG meinte, dass eine Frage an den Versicherungsnehmer dann zulässig ist, wenn die Beantwortung der Frage für die Einschätzung des Versicherers von Relevanz sein kann, ob eine Einstandspflicht besteht. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass sich die Beantwortung der Frage tatsächlich als wesentlich erweist. Der im Strafrecht geltende Grundsatz, wonach sich niemand selbst zu belasten braucht, gilt im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer nicht. Somit erhielt die Restaurantbetreiberin kein Geld von ihrer Versicherung.

Hinweis: Und warum das Ganze? Es bestand der Verdacht einer vorsätzlichen Brandstiftung. In einem Strafverfahren wurde ein Dritter aus dem Umfeld der Versicherungsnehmerin, welcher der Brandlegung verdächtigt worden war, zwar freigesprochen. Dennoch bleibt hier zu mutmaßen, dass die Frau dies zum Anlass genommen hat, nur unvollständig Stellung zu den Fragen ihrer Versicherung zu nehmen.


Quelle: LG Osnabrück, Urt. v. 24.05.2023 - 9 O 3254/21
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 08/2023)

Lockdowns und Nutzungseinschränkungen: Nur schwere Verletzung von Vertragspflichten rechtfertigt Fitnessstudiokündigung

Kein Monat ohne Entscheidungen rund um die rechtlichen Folgen der COVID-19-Pandemie. Man ahnt, dass dies bei den verschiedenen rechtlichen Bereichen zu diesem Thema noch eine ganze Weile andauern wird. Denn auch für die Rechtsprechung war und ist die Auseinandersetzung mit den Konsequenzen ein weites Feld. Daher ging die Frage, wann der Vertrag mit dem Fitnessstudio kündbar ist - und wann eben nicht - auch bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Kein Monat ohne Entscheidungen rund um die rechtlichen Folgen der COVID-19-Pandemie. Man ahnt, dass dies bei den verschiedenen rechtlichen Bereichen zu diesem Thema noch eine ganze Weile andauern wird. Denn auch für die Rechtsprechung war und ist die Auseinandersetzung mit den Konsequenzen ein weites Feld. Daher ging die Frage, wann der Vertrag mit dem Fitnessstudio kündbar ist - und wann eben nicht - auch bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).

Eine Frau war seit Dezember 2019 Mitglied in einem Fitnessstudio. Die Laufzeit des Vertrags betrug 100 Wochen - also knapp zwei Jahre. Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste die Betreiberin das Fitnessstudio von Mitte März bis Mitte Mai im ersten sogenannten Lockdown schließen. Die Mitgliedsbeiträge von monatlich 34,95 EUR zog das Studio zwar weiterhin vom Konto der Frau ein, bot ihr dafür aber kostenlose Trainingswochen nach Wiedereröffnung des Fitnessstudios an. Am 31.05.2020 unterzeichnete die Sportlerin einen "Ruhezeitantrag" über eine Unterbrechung der Mitgliedschaft für zehn Wochen. Nach der Wiedereröffnung des Fitnessstudios bestanden aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie verschiedene Nutzungseinschränkungen, insbesondere konnten die Duschen und die Sauna nicht genutzt werden. Am 02.11.2020 musste das Fitnessstudio dann erneut schließen. Während dieses zweiten Lockdowns, der bis zum 31.05.2021 dauerte, zog das Fitnessstudio keine Mitgliedsbeiträge ein. Die Sportlerin kündigte ihre Mitgliedschaft im November 2020 dennoch. Als das Fitnessstudio die Kündigung nicht akzeptierte, legte sie eine Klage ein auf Feststellung, dass das Vertragsverhältnis beendet ist - ohne Erfolg.

Die außerordentliche Kündigung eines Fitnessstudiovertrags durch die Kundin mit der Begründung, sie könne wegen pandemiebedingten Betriebsschließungen und -beschränkungen das Fitnessstudio nicht im vertraglich vereinbarten Umfang nutzen, kommt nur im Ausnahmefall in Betracht. Die Verletzung vertraglicher Pflichten berechtigt zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses nur, wenn sie so schwerwiegend ist, dass durch sie das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragspartnern in einem Maß beeinträchtigt wird, dass der Kündigenden ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zumutbar ist. Und dies war laut BGH vorliegend nicht der Fall.

Hinweis: Wegen coronabedingter Schließungen durften also in der Regel Fitnessstudioverträge nicht außerordentlich gekündigt werden. Das wird insolventen Fitnessstudiobetreibern nun aber auch nicht mehr helfen.


Quelle: BGH, Urt. v. 19.04.2023 - XII ZR 24/22
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 08/2023)